Das Weihnachtsbuch

Die drei heiligen Könige

und vieles andere

Christian B. Hell

 

 

 

© Christian B. Hell - Lengerich 2001

 

 

 

 

Inhalt

 

Geschichten um Weihnachten

Die vier Hirten *

Die drei heiligen Könige *

Der erste der drei Männer *

Die Geschichte des zweiten Mannes *

Die Geschichte des dritten Mannes *

Krippenspiele

Der Zauberteppich *

Waldweihnacht *

Der Stein des Lebens *

Die Glockengeister *

Fiete Krummholz *

Das rote Pferd *

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann *

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann auf dem Dickenberg. *

Der Bürgermeister, der Stadtkämmerer und der Herr Fleischer. *

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann und der Schnee. *

Gedichte zum Advent, Weihnachten und zum Neuen Jahr *

Advent *

Weihnachtslied *

Der Schnee *

Winter *

Schnee *

Weihnachtsbild *

Engel, gibt's die? *

Morgendliche Bahnfahrt *

Kerze im Advent *

Noch brennen die Kerzen nicht *

Stille Nacht allerseits *

Wie gut, dass es Weihnachten gibt *

Stern über Bethlehem *

Das Kind in der Krippe *

Weihnachten *

Bethlehem *

Weihnachten 1991 *

Weihnachten ist überall *

Die andere Seite von Weihnachten *

Maria hat ein Kind geboren *

O Tannenbaum, o Tannenbaum *

Herr Winter, Herr Winter *

Nach Weihnachten *

Die letzten Tage des Jahres *

Was hat dies Jahr uns denn gebracht? *

Wenn wir jetzt auseinandergehn *

Zum neuen Jahr *

Werde wie die Weisen *

 

 

Geschichten um Weihnachten

 

Die vier Hirten

Nach einer Weihnachtspredigt, gehalten in Brochterbeck

 

 

Ich möchte das aufschreiben, was damals geschah. Es wird nicht leicht sein, denn Du und ich, wir sind nicht dabei gewesen, aber es waren viele, die es überliefert haben. Von einem zum anderen ist die Geschichte weitererzählt worden, bis einer sie aufgeschrieben hat.

Das andere dürfen wir ergänzen, mit unserer Phantasie und unserem Herzen und uns in die Zeit damals hineindenken.

Es ist gut, dass Ihr jetzt diese Geschichte hört oder lest, denn sie ist es wert, dass sie nicht verloren geht.

Es war eine seltsame Nacht damals.

Wie die anderen Nächte war sie, aber gleichzeitig anders. So, als ob irgend etwas in der Luft läge.

 

Die Hirten sitzen am Feuer.

Die Schafe schlafen.

Die großen, weißen, zotteligen Hunde wachen mit den vier Hirten, dem ganz alten, der kaum noch etwas sehen kann, dem dicken, der immer Hunger hat und daran denkt, was er wohl essen könnte, dem hageren und dem kleinen, der eigentlich noch fast zu jung ist, das raue Leben der Hirten zu teilen, die Nächte am Lagerfeuer und den Schlaf, ein gewickelt im Schaffell zwischen den wärmenden Tieren.

Aber noch ist es nicht so weit.

Das Feuer brennt.

„Leg etwas nach", sagt der Hagere zu dem Kleinen. „Irgend etwas liegt in der Luft."

„Ja, ich kann es riechen", sagt der Alte. „Es ist so", er überlegt einen Augenblick, „ist so, als ob etwas Besonderes geschehen wird, so, als ob die Welt jetzt den Atem anhalten würde."

Der Dicke grunzt nur. Er denkt an das Brot, das er in seinem Hirtensack hat und das er es sicher noch vor Mitternacht essen wird, weil sein Hunger so groß ist.

„Einmal", beginnt der Alte, „habe ich eine Geschichte gehört. Mein Großvater hat sie erzählt. Einmal soll ein Kind geboren werden, das der größte König der Welt wird."

Er schweigt.

„Dieses Kind, so erzählte mein Großvater, soll in einer Krippe liegen. Und die Eltern sollen arm sein. Aber aller Segen, den Gott über die Menschen ausgießen wird, er kommt auf dieses Kind und dann von diesem Kind. Eigenartig, dass mir das jetzt gerade einfällt."

Die Hirten schweigen und starren ins Feuer.

Und mit einem Mal scheint es ihnen, als ob der Himmel heller wird, als ob die Luft flimmert, als ob mitten in der Nacht und der Kälte eine Quelle der Wärme und des Lichtes aufbricht.

Sie sehen sich an, und sie fürchten sich.

Denn so furchtlos die Hirten auch sonst sind, wenn es um wilde Tiere geht, um den Angriff des Löwen, oder den der Schakale, so hilflos fühlen sie sich jetzt.

Das Licht wird heller und heller und dann scheint es ihnen, als ob mitten im Licht eine Gestalt steht.

„Der Todesengel", flüstert der Alte. Ist es schon so weit?"

Aber da hört er, und die anderen mit ihm, eine Stimme:

„Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet das Kind finden, das in einer Krippe liegt."

„Das Kind, das Kind in der Krippe", murmelt der Alte. „Ist es also doch wahr, was Großvater erzählt hat?"

Und als er noch darüber nachdenkt und die anderen Hirten vor Furcht zittern, gewinnt das Licht an Größe und Weite, und es scheint, als ob sich der Himmel öffnet.

Die Welt besteht nur noch aus Gesang und Wärme und Licht, und sie hören die Worte:

„Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden allen Menschen, denn Gott hat sie lieb."

Die Zeit scheint stehen zu bleiben, der Gesang dauert fort, die ganze Luft, die Erde, die Felsen, der ferne Mond und die Sterne singen und schwingen mit und die Hirten fühlen sich eins mit allem, was es gibt.

Als das Licht schwächer wird und der Gesang leiser, als dann nichts mehr zu hören und zu sehen ist, scheint es den Hirten, als ob sie aus einem schönen Traum erwachen, aus einem Traum, der so schön war, dass man nicht sofort darüber redet.

Sie wissen auch nicht, wie viel Zeit verstrichen ist, wenige Minuten, viele Stunden?

Aber als sie in das Feuer sehen, ist es fast niedergebrannt.

„Wir sollten hingehen", sagt der Alte.

„Ja", stimmt der Dicke zu. „Und wenn es bis ans Ende der Welt geht."

Aber da rührt sich schon sein Magen und er denkt:

„Hoffentlich ist es nicht so weit."

„Wir wollen hingehen, und das Baby, den Heiland der Welt, den, der alles wieder heil machen wird, begrüßen", entscheidet der Hagere.

Der Kleinste meldet sich: „Wir müssen ihm aber etwas mitbringen. Sicher sind seine Eltern sehr arm, wenn er in einer Krippe liegt."

„Du hast Recht, aber was haben wir schon, wir sind auch arme Leute."

Die Hirten überlegen.

Und da fällt dem Kleinsten ein, dass in seinem Hirtensack, ganz unten, noch die schöne Flöte liegt, die er sich im Sommer gebastelt hat und auf der er so gerne Lieder spielt.

„Ich nehme meine Flöte mit", sagte er.

Die anderen lachen.

„Meinst Du, ein Baby kann schon die Flöte spielen?"

„Nein, aber vielleicht kann es die Mutter oder der Vater, und wenn nicht, dann spiele ich dem Baby etwas vor und bringe es auch gleich den Eltern bei. Die werden es ganz bestimmt schnell lernen."

Der dicke Hirte, der immer den größten Appetit hat, denkt gleich daran, dass die Eltern vielleicht nicht genug zum Essen haben. Und weil er bei aller Gefräßigkeit ein gutes Herz hat, sagt er:

„Wir können dem Kind Milch mitbringen. Ich habe noch ein Stück Schafkäse und ein ganzes Brot, das will ich ihnen dalassen, auch wenn ich hinterher Hunger haben werde."

„Das wird die Eltern freuen", stimmen die anderen zu.

„Und ich habe hier ein schönes weiches Schaffell", sage der dritte Hirte. Damit können die Eltern das Kind zudecken, damit es nicht friert."

Nur der ganz alte Hirte, der, der so alt ist, dass er kaum noch etwas sehen kann, hat gar nichts.

„Was soll ich dem Kind mitbringen", fragt er die anderen. „Ich habe nichts, überhaupt nichts."

„Du hast doch noch etwas", sagt da der Kleinste.

„Ja, was denn", fragt der Alte.

„Du hast noch eine Kerze."

„Ach, die Kerze, sie ist schon fast heruntergebrannt. Die kann ich doch nicht mitbringen."

Aber der kleinste der Hirten redet dem alten Hirten so lange zu, bis er sich entschließt, sie doch mit zunehmen.

Und dann machen sie sich auf den Weg.

Vorher sagen sie ihren Hunden, den großen, zotteligen, weißen Hirtenhunden:

„Jetzt müsst ihr auf die Herde aufpassen, damit ja kein wildes Tier einbricht und eines der Schaft frisst oder die ganze Herde auseinander treibt. Wir müssen den Stall suchen."

Die Hunde nicken mit ihren Köpfen und wedeln mit ihren Schwänzen. Es sind ganz besonders kluge Hunde.

„Wo mag der Stall nur sein", fragt der zweite Hirte, der, der das Fell mitgenommen hat. „Es gibt hier in der Gegend sehr viele Ställe und in jedem Haus steht außerdem noch eine Krippe."

„Da werden wir lange suchen müssen", meint der dicke Hirte und bekommt schon wieder richtigen Hunger, als er an das viele zu Fuß gehen denkt.

Aber der Kleinste sagt ganz zuversichtlich:

„Wenn der Engel das nicht besonders erklärt hat, dann werden wir es schon finden."

„Der Kleine hat Recht", sagt der Alte - und dann gehen sie geradewegs auf Bethlehem zu.

Noch bevor sie die kleine Stadt erreichen, sehen sie einen Stall. Und über dem Stall steht ein Stern, so groß und hell und leuchtend, wie sie noch nie einen gesehen haben.

„Da muss es sein", sagen alle gleichzeitig.

Und als sie dann zur Tür kommen und ganz vorsichtig anklopfen, denn sie sind ja auch höfliche Menschen, sagt drinnen eine tiefe Männerstimme:

„Kommt herein."

Und da sehen sie, was ihnen der Engel gesagt hat.

Ein Mann und eine Frau sind da - und ein Baby, ein winziges Baby, das gerade geboren ist.

Es liegt, in eine Windel gewickelt in einer Krippe auf Stroh.

Eine einzige kleine Kerze, noch kleiner als die, die der alte Hirte hat, gibt Licht.

Aber dass die Eltern sich über das Baby freuen, das können die Hirten sehen.

Sie freuen sich bestimmt so, wie sich damals Eure Eltern freuten, als Ihr, die Ihr diese Geschichte jetzt hört, geboren wurdet.

„Wir haben euch etwas mitgebracht", sagt der dicke Hirte, der es gar nicht erwarten kann, als erster zu reden.

„Wer seid ihr überhaupt", fragt da Joseph, „und warum seid ihr hier?"

Da erzählt der Hirte, der das Fell hat, was sie auf der Weide bei den Schafen erlebt haben.

Joseph will es zuerst gar nicht glauben. Manchmal sind die Männer eben so.

Aber Maria nickt nur und sagt:

„Ich wusste doch, dass Gott unser Baby nicht vergisst."

Da packen die Hirten aus, was sie haben und Maria und Joseph haben sich ganz mächtig gefreut.

Der alte Hirte sagt:

„Ich habe nur eine kleine Kerze, aber sie ist größer als eure. Jetzt könnt ihr das Baby länger ansehen."

Und als der alte Hirte das Kind ansieht, da öffnet es seine Augen und lächelt den Alten an. Da wird ihm so warm ums Herz wie schon lange nicht mehr und er ist voller Freude, und als er sich der Mutter zuwendet, um ihr zu sagen, wie niedlich er das Baby findet, da merkt er, dass er plötzlich wieder so gut sehen kann, wie damals, als er noch ein kleiner Junge war.

„Ihr habt schöne Dinge mitgebracht", sagt Joseph. „Danke."

„Aber das Wichtigste ist doch", fährt Maria fort, „dass ihr euer Herz mitgebracht habt. Das ist viel wichtiger als Gold und kostbare Geschenke."

Nun helfen die Hirten Joseph, aus den Steinen, die vor dem Stall liegen, einen kleinen Ofen zu bauen, denn Hirten sind sehr praktische Menschen. Und dann sammeln sie Holz, und sie merken, dass sie beim Licht des großen Sterns besonders gut sehen können. Und der alte Hirte, der vorher fast blind gewesen war, findet am allermeisten.

Als sie im Ofen das Feuer angezündet haben und es in dem Stall gemütlich warm wird, sagen sie:

„Wir müssen jetzt wieder gehen, unsere Schafe und unsere Hunde warten."

Unterwegs aber loben die Hirten Gott und singen mit ihren rauen Stimmen:

„Ehre sei Gott in der Höhe, er hat uns besucht und sein Volk erlöst. Ehre sei Gott in der Höhe."

Und als die Hirten wieder bei ihren Schafen sind, kommen ihnen die Hunde schwanzwedelnd entgegen, so, als wollen sie sagen:

„Haben wir das nicht prima gemacht?"

Die Hirten streicheln die Tiere, und dann bleiben sie die ganze Nacht auf und unterhalten sich über das, was sie erlebt haben. Nur der kleine Hirte, der ist so müde, dass er gleich einschläft.

Aber in dem Stall, in dem Maria und Joseph mit ihrem Baby waren, da haben die Engel die ganze Nacht gesungen und sie haben nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern in den Schlaf gesungen.

 

 

 

 

 

Die drei heiligen Könige

 

Dies ist die Geschichte von den drei heiligen Königen.

Irgendwo habe ich sie vor langer Zeit gehört. Aber das ist schon so lange her, dass ich gar nicht mehr weiß, wer es war, der mir dies erzählte.

Und so will ich Euch diese Geschichte weitererzählen, damit sie nicht in Vergessenheit gerät.

 

 

Der erste der drei Männer

 

Im Osten, dort, wo die Sonne aufgeht, gibt es ein Land, das von zwei großen und breiten Strömen durchflossen wird und in dem viele Städte liegen, die von reichen und mächtigen Königen regiert werden.

Weit mächtiger aber als alle Könige war der Mann, der in dem großen Haus auf dem Hügel wohnte, unter dem, so munkelte man, einst in grauer Vorzeit eine andere Stadt gestanden haben sollte.

Und dieser Mann, so sagte das Gerücht, habe alle Weisheit jener alten Bewohner in sich aufgenommen, denn niemand auf der weiten Welt konnte so gut mit den Sternen reden und das Schicksal der Menschen vorhersagen wie jener.

Zu eben diesem Mann pilgerten die Könige, wenn sie wichtige Entscheidungen treffen wollten: wann sie zum Beispiel einen Krieg beginnen konnten, der siegreich für sie ausging, oder wann und mit wem sie ihre Kinder verheiraten sollten, damit der Thron in der Familie blieb.

Die Feldherren wandten sich an den Weisen, legten ihm ihre Angriffspläne vor und holten sich Rat, mit welchem der Pläne sie siegen würden, und die Kaufleute scheuten keinen noch so weiten Weg, wenn sie wissen wollten, ob ein ausgerüstetes Schiff, das im Hafen lag, jetzt oder zu einer anderen Zeit auslaufen sollte, wenn die Sterne günstiger standen, damit es wohlbehalten und mit reichem Gewinn nach Hause käme.

Und jedes Mal, wenn ein Ratsuchender kam, brachte er reichen Lohn mit: Gold und Edelsteine oder Kostbarkeiten, von denen Du und ich keine Ahnung haben, dass es sie gibt, so kostbar sind sie.

In der Zeit, bevor der Regen begann, kam am Abend ein Mann, verhüllt und doch erkannte man seine kostbare Kleidung, an das Tor des Hauses.

„Ist der Weise dort?" fragte er, nachdem ein Diener auf sein Klopfen geöffnet hatte.

„Der Weise studiert die alten Schriften", wurde ihm gesagt. „Komm morgen wieder, wenn die Sonne am höchsten steht."

Der Diener hatte schon oft Fremde gesehen, die reich und mächtig waren, und er hatte sie oft genug abgewiesen oder vertröstet, denn sein Herr liebte und ehrte die stillen Stunden der Abenddämmerung, in denen er mit den alten Schriften Zwiesprache hielt und sie nach der Bedeutung des Sternenlaufs befragte.

Der Fremde wollte sich mit der Antwort des Dieners nicht zufriedengeben, denn er war es nicht gewohnt, dass man ihn am Tor abfertigte wie einen einfachen Boten oder Bittsteller.

„Ich bezahle gut", sagte er. „Hier, das ist für Dich." Und damit zog er ein Goldstück aus dem Beutel, den er unter seinem Umhang trug.

Der Diener nahm das Geld entgegen, bedankte sich und sagte:

„Ich will morgen für Dich ein gutes Wort einlegen, Fremder, dass Du nicht noch länger warten musst. Aber heute empfängt mein Herr niemanden, auch wenn es ein König wäre."

Der Fremde musste wieder seiner Wege ziehen. Aber am nächsten Tage stand er in der Mittagshitze vor dem Tor des Hauses.

Er klopfte.

„Tritt herein, Fremder", sagte der Diener. „Ich habe es meinem Herrn schon gesagt."

In einem dämmrigen Raum findet er den Weisen.

„Sei willkommen Fremder", begrüßte er ihn. „Was führt Dich zu mir?"

„Ich bin König im Bergland, weit fort im Lande, in dem die Sonne aufgeht", sagte er.

„Ich habe Feinde. Es sind jene wilden Bergvölker, die, wenn der Acker seine Ernte hergibt, in unser Land einfallen, Dörfer und Städte verwüsten, jeden töten, den sie finden und alle Schätze und alles Getreide mit sich nehmen. Ich brauche Deinen Rat, o Weiser."

„Du bist einer jener besonnenen Herrscher, Fremder, der nicht sofort zu den Waffen greift und meint, dass nur in den Waffen das Heil zu finden ist. Willst Du den Willen der Götter wissen?"

„Ja, den Willen der Götter und die Zukunft", war die Antwort.

„So sage mir die Stunde Deiner Geburt und komme morgen um diese Zeit wieder."

Am nächsten Tage kam der Fremde wieder zum Tor. Der Diener öffnete auf sein Klopfen.

„Tritt näher, Fremder", sagte der alte Mann.

Der fremde König trat näher und verbeugte sich vor dem Weisen.

„Was sagen die Sterne?"

„Die Götter haben Dich gesegnet, mein Sohn", antwortete der Alte.

„Die Sterne sagen, dass Du lange leben wirst und dass in Deinem Reich Frieden herrschen wird. Blut wird nicht fließen und Dein Volk wird sich mehren. Das ist die Botschaft der Sterne."

„Ich danke Dir, Weiser", entgegnete der Fremde. „Dann ist der Weg richtig, den ich gehen wollte. Ich werde den Bergvölkern Nahrung geben, dann werden sie nicht mehr meine Dörfer überfallen."

„Die Götter mögen mit Dir sein", sagte der Alte.

Der Fremde bedankte sich und holte aus einem Beutel ein Tuch, und als er es auseinander faltete, erstrahlte der Raum in einem seltsamen roten Licht.

„Nimm diesen Stein als Dank. Er ist wie der aufgehende Mond. Ich fand ihn in den Bergen."

Dann verabschiedete er sich und zog seiner Wege.

Eines Nachts, denn den Sternenhimmel konnte er nur des Nachts beobachten, den Weg der Sterne, um damit den Menschen ihr Schicksal offen zu legen, denn nur er verstand es, ihre verschlungenen Wege zu deuten, eines Nachts also sah der Weise weit im Westen, dort, wo die Sonne sich des Abends hinter der Wüste zur Ruhe legte, einen Stern, wie er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Er überstrahlte alle anderen Sterne in seiner Pracht, und dies erschien ihm wunderbarer als alles, was er jemals gesehen hatte, und das um so mehr, als der Weise schon mehrere Wochen nicht auf das Dach des Hauses gestiegen war, weil Regenwolken den Himmel verdeckten.

„Was mag das für ein Stern sein?", murmelte er verzückt. „Was mögen die Götter mir durch ihn sagen?"

Der Stern stand im Sternbild der Fische, in dem Sternzeichen, das man den Völkern am fernen Westmeer, noch jenseits der Wüste, zugeordnet hatte.

„Er muss etwas bedeuten. Für jene Menschen, oder auch für uns, weil er bis zu uns herüberleuchtet und alles andere überstrahlt."

Der alte Mann stand ganz verzückt und konnte immer nur den Stern ansehen.

„Es ist der Stern des Königs", sinnierte er. „Und zugleich ist es der Stern, der die Macht anzeigt und die Weisheit. Sicher wird der neue König gerade geboren sein. Vorher habe ich seinen Stern noch nie gesehen. Was für ein König muss das werden!" Vor Begeisterung redete laut vor sich hin, und je länger er ihn ansah, desto heller schien der Stern zu strahlen, und der Alte merkte, wie in ihm der Wunsch wie ein Samenkorn aufging und wuchs, dorthin zu ziehen, wo der König geboren sein musste, dem dieser Stern galt.

Denn dass dies ein Königsstern war, war für ihn so sicher, wie nur irgendetwas in der Welt, und dass es der Stern eines Neugeborenen war, wurde ihm immer deutlicher.

Drei Nächte beobachtete der Weise den Himmel, und immer stärker wurde der Wunsch, nach Westen aufzubrechen und jenem Königskind zu begegnen, dessen Stern heller war, als sonst jemals ein Stern geschienen und das darum mächtiger und weiser werden musste, als alle Menschen, die jemals gelebt hatten.

Und so rief er am nächsten Tag seine Diener zusammen und sagte:

„Ich werde nach Westen reisen, in das Land am Meer. Rüstet mir eine Karawane für eine lange Reise. Dort werde ich dem König begegnen, dem die Welt untertan sein wird."

Die Diener schüttelten den Kopf und wunderten sich über den Eifer ihres Herrn, denn so voller Begeisterung und Tatendrang hatte sie ihn schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen.

Am Tage darauf begannen sie, eine Karawane auszurüsten. Sie kauften Kamele und alle die Dinge, die man für eine lange Reise benötigte. Sie warben Soldaten an, die sie beschützen sollten.

Der Weise aber nahm ein kostbares Geschenk mit, ein goldenes Amulett, das dem Träger Glück, Weisheit und ein langes Leben bescheren sollte. „Denn Gold", dachte er, „wird dieser König genug haben."

Eines Tages, der Weise hatte vorher die Sterne nach dem Erfolg seiner Reise gefragt, brach die Karawane zu einem günstigen Zeitpunkt auf.

Es dauert zu lange, wenn ich hier alle Abenteuer und Schwierigkeiten dieser langen Reise erzählen würde, darum will ich mich kürzer fassen:

Der Weise und seine Diener folgten dem Stern.

Eines Tages machten sie Rast an der Quelle jenseits des Jordans, von wo aus in der Ferne die Stadt Jerusalem gerade noch sichtbar ist, wenn die untergehenden Strahlen der Sonne ihre Türme in rotes Gold tauchten.

Und als sie dort rasteten, kam aus der Richtung, in der die Sonne des Mittags steht, eine andere Karawane.

Sie war kleiner, und die Menschen zeichneten sich durch ihre schwarze Hautfarbe aus.

 

 

Die Geschichte des zweiten Mannes

 

Der zweite Mann, von dem ich erzählen will, lebte in einem Kral am Rande der Wüste. Sein Vater war Häuptling des Stammes, schon alt, aber von unübertroffener Weisheit, die im Laufe der Jahre immer größer wurde.

So kam es, dass jedermann seinen Rat suchte.

Der Kummer des Dorfes und die große Sorge aber war ein Löwe, der „Herr-mit-dem-dicken-Kopf", wie sie ihn nannten, der schon viele Schafe gerissen hatte und der vor gar nicht langer Zeit einen Hirten tötete und verschlang.

Das Dorf hielt Rat und palaverte lange. Endlich, gegen Mitternacht, stand der einzige Sohn des Häuptlings auf und verlangte das Wort.

„Es ist nicht Sitte in unserem Stamme", begann er, „Worte des eigenen Vaters oder die Weisheit des Häuptlings in Frage zu stellen. Aber sollte ich nicht allein gegen den „Herrn-mit-dem-dicken-Kopf" kämpfen?

Wenn viele kommen, so wird er sich fürchten und sich nicht heranwagen, aber er wird uns dann hinterlistig überfallen, wenn wir auf den Feldern arbeiten und uns nicht wehren können. Wenn mein Vater, der Häuptling, seine Erlaubnis gibt, werde ich versuchen, mit List zu siegen. Die Geister mögen mich schützen."

So redete der junge Mann, und ein erneutes Palaver begann.

Es dauerte geraume Zeit, dann aber entschied der Häuptling, dass sein Sohn gehen sollte.

„Die Geister mögen mit dir sein, mein Sohn", sagte der alte Mann. Und im Herzen fragte er sich, ob die Geister stärker seien als der „Herr-mit-dem-dicken-Kopf".

Der Junge aber freute sich, dass er sich vor dem Dorf und vor allem vor seinem Vater auszeichnen konnte.

Am nächsten Tag begann das Dorf mit den Vorbereitungen. Die Herden wurden zusammengetrieben und in die Nähe des Dorfes gebracht. Dort sollten sie von Wächtern an Lagerfeuern bewacht werden. Ein Lamm aber sollte draußen, am Rande der Steppe, angepflockt werden, als lockende Beute für den Feind des Dorfes, und der junge Krieger wollte sich in seiner Nähe verstecken.

Noch vor Anbruch der Dunkelheit waren alle Vorbereitungen getroffen, das Lamm angepflockt, der Sohn des Häuptlings hinter einem Strauch versteckt, sodass der Wind seinen Geruch nicht zu dem angebundenen Tier trieb.

Und dann kam die Nacht.

Der junge Krieger wartete.

Wolken schoben sich vor die Sterne, es wurde dunkel.

Ahnte das Lamm, was ihm bevorstand? Es begann ängstlich zu blöken.

Und war es das Blöken, das den „Herrn-mit-dem-dicken-Kopf" herbeirief?

Denn nur einige Augenblicke später hörte der Krieger das Fauchen des Löwen, dann den Sprung, den Todesschrei des Lammes und ein Gebiss, das sich in das Tier hineingrub.

Der Krieger richtete sich auf. Kaum konnte er den „Herrn-mit-dem-dicken-Kopf" in der Dunkelheit sehen, er ahnte ihn mehr, als dass er ihn wahrnahm.

Vorsichtig erhob er den Arm und wollte den Speer schleudern, da bemerkte der Löwe seinen Feind. Er richtete sich auf, starrte zum Busch hinüber und dann, ehe der Speer durch die Luft sirren konnte, um ihn zu treffen, setzte der Löwe erneut zum Sprung an.

Und in diesem Moment wurde der Himmel hell.

Eine Wolke gab den Blick frei auf einen Stern, wie ihn vorher niemals ein Mensch gesehen hatte. Schön und groß stand er am Himmel und in seinem Schein sah der junge Krieger den Löwen, der auf ihn zuflog.

Und da warf er seinen Speer, mit aller Kraft, die er hatte, dem „Herrn-mit-dem-dicken-Kopf" entgegen

Aber der Schwung des Tieres war so groß, dass es den jungen Mann niederwarf und ihn unter sich begrub. Noch im Todeskampf wollte der Löwe seinen Todfeind zerreißen, aber der Häuptlingssohn nahm sein Messer und stach in das Herz des Tieres, das über ihm zusammenbrach.

Nur mit Mühe konnte er sich befreien, und als er zum Himmel blickte, sah er den Stern, der ihm im letzten Augenblick das Licht für den Speerwurf gegeben hatte.

„Du großer Geist hast mir geholfen", dachte der Krieger. „Du hast mir das Leben erhalten. Dir will ich das Fell des „Herrn-mit-dem-dicken-Kopf" opfern."

Aber wie sollte er das tun? Verbrannte er es, war es ein Opfer für alle Geister. Nein, er musste sich auf den Weg machen und den Ort suchen, wo dieser Geist seine Wohnung hatte. Und wo sollte er anders sein, als in einem Kind, das gerade geboren ist, denn der Stern war vorher nie sichtbar gewesen.

„Vielleicht wird dieses Kind einmal ein großer König, mächtig und stark", dachte er. Und er dachte an seinen eigenen Stern, der von den Wolken verdeckt am Horizont stand und ihm nicht hatte helfen können.

„Ich will hingehen und diesem Königskind das Fell des „Herrn-mit-dem-dicken-Kopf" überreichen und wenn ich bis ans Ende der Welt gehen muss. Der Geist dieses Kindes hat mir mein Leben erneut gegeben."

Und mit diesem Entschluss macht er sich auf den Weg zum Dorfe.

Jeder kann sich vorstellen, mit welcher Angst und welcher Spannung alle den Ausgang des Kampfes erwartet hatten.

Der Vater schloss seinen Sohn in die Arme und achtete nicht darauf, dass der junge Krieger noch besudelt war mit dem Blut des Löwen.

Die anderen jubelten ihm zu. Alle waren voller Freude und selbst der Vater zeigte seinen Stolz auf den Sohn.

Mit Fackeln und Gesang zogen sie hinaus, um den Löwen abzuhäuten, mit Gesang kehrten sie zurück, um die ganze Nacht, bis zum Aufgang der Sonne zu feiern. Ihr Lied war:

„Der „Herr-mit-dem-dicken-Kopf" ist be-

siegt.

Er kann nicht mehr schaden.

Ein Speer tötete ihn

und der Stich eines Messers.

Geister standen ihm bei

und führten seinen Arm.

Der Sohn unseres Königs behielt den

Sieg,

der Sohn unseres Königs befreite uns."

Am Lagerfeuer musste der junge Mann von dem Kampf berichten.

„Und dann erschien der Stern" sagte er. „Leuchtete auf, als der „Herrn-mit-dem-dicken-Kopf" auf mich lossprang. Der Stern gab mir das Licht und die Kraft und den Sieg."

Atemlos lauschten die Bewohner des Dorfes.

„Als ich unter dem Löwen hervorkroch und sah, wie der Stern in seiner Pracht im Himmel stand, heller als alle anderen, da wusste ich, dass dies der Stern eines neu geborenen Kindes ist, der Stern eines Kindes, das mächtiger ist als der Tod. Sein Geist hat mir geholfen. Und ich werde hingehen, und dem Kinde das Fell als Dank schenken."

„Das ist recht so", sagte der Vater. „Wer dir das Leben gibt, dem musst du danken."

Und das Dorf murmelte beifällig.

Einige Tage später machte sich der junge Mann auf den Weg.

Seine Karawane bestand aus sieben Kamelen. Drei Begleiter führte er mit sich, Säcke mit Wasser und Lebensmitteln: getrocknetes Fleisch, getrocknete Datteln und Brot, seltene Gewürze, mit denen der Stamm seinen Reichtum erworben hatte und dem Kostbarsten aller Dinge, dem Fell des „Herrn-mit-dem-dicken-Kopf".

Es dauert zu lange, wenn ich hier alle Abenteuer und Schwierigkeiten dieser langen Reise erzählen würde, darum will ich mich kürzer fassen.

Die Männer folgten jedenfalls dem Stern.

Eines Tages machten die Reisenden Rast an der Quelle jenseits des Jordans, von wo aus in der Ferne die Stadt Jerusalem gerade noch sichtbar ist, wenn die untergehenden Strahlen der Sonne ihre Türme in rotes Gold tauchten.

Sie fanden bereits eine andere Karawane vor und erblickten in der Ferne eine dritte, die auch zum Brunnen wollte.

 

 

Die Geschichte des dritten Mannes

 

Die steinerne Burg hatte schon lange Zeit nicht mehr ein so großes Fest gesehen.

Von überall her waren die Gäste gekommen:

Vom Meer die Kaufleute, weil sie mit dem Fürsten reiche Geschäfte abgeschlossen hatten und durch sein Land sicher reisen konnten, aus der Ebene die Städter, weil sie sich im Schutz der Burg sicher fühlen konnten, Freunde aus den benachbarten Burgen und natürlich die Verwandtschaft der jungen Frau, die heute mit dem Sohn des Fürsten vermählt worden war.

Und wie bunt das Treiben sich zeigte:

Eine Zeltstadt war am Fuße der Burg aufgebaut worden, zwischen dem Fluss und dem Berg und ungezählte Händler boten ihre Waren dar, denn bei diesem Feste sollte es keine Steuern geben.

Silberschmuck war da und edle Steine sah man, die die wohlhabenden Goldhändler den Gästen der Burg zu verkaufen hofften, Tonkrüge und Teller gab es für die Bürger zu erhandeln, warme Pelzjacken und edle Stoffe, die wiederum nur von den Gästen oder den vornehmsten Bürgertöchtern getragen werden konnten. Und natürlich gab es Waffen und vor allem Lebensmittel in Hülle und Fülle, lebende Tiere in Käfigen, Hühner und Tauben, Schweine und Ziegen, Pferde und Kamele, Rinder und Stiere.

In einige Buden wurde gebratenes Fleisch verkauft oder frisches Brot, andere boten Wein an und bei wieder anderen konnte man Gauklern zuschauen, Märchenerzählern lauschen und zwischen allen liefen Kinder und Hunde, feilschten die Männer, lachten die Frauen, kurz es war ein Trubel, wie er nur bei einem Markt anlässlich der Hochzeit eines Fürsten sein konnte.

Oben in der Burg ging es kaum weniger lebhaft zu.

In der Küche liefen die Mägde und Küchenjungen durcheinander und der Küchenmeister hatte Mühe, sich den Köchen verständlich zu machen.

Und während im Hof der Burg die Ochsen am Spieß am offenen Feuer gebraten, die Weinfässer für die vielen Bediensteten der Gäste herbeigerollt wurden, trugen die Wandermusikanten ihre Neuigkeiten vor und verdienten sich dabei so manchen Bissen, manchen Trunk und manches Goldstück.

Ein Stockwerk höher ging es zwar vornehmer zu, aber nicht weniger ausgelassen.

Im großen Saal war die Hochzeitszeremonie mit dem Priester vorbei, der das junge Paar verband und ihm den Segen der Götter herabgefleht hatte.

Jetzt sollte es nicht mehr lange dauern bis zum großen Bankett, das hieß, wenn die Küche die Speisen rechtzeitig heraufbringen würde und wenn nicht wieder irgendein Küchenjunge auf der Treppe stolperte und andere mit sich die Treppe herunterriss, wie es schon einmal vor Jahren gewesen war.

Der Fürst drängte sich durch die Menge zu seinem Sohn.

„Komm mit mir, mein Sohn", sagte er. „Ich möchte mit Dir reden, denn bei der Tafel ist nicht die Gelegenheit dazu."

Der junge Fürst schaute seinen Vater erstaunt an.

„Ich folge Dir, mein Vater."

In dem ruhigen Vasenzimmer, in dem so manche Kostbarkeit aufbewahrt wurde und wo es so still war, dass sich Vater und Sohn leise unterhalten konnten, sagte der alte Fürst:

„Höre zu, mein Junge. Du bist der Älteste, und Deine Weisheit und Besonnenheit ist keinem verborgen geblieben.

Ich will Dir von einem Traum erzählen, den ich als Kind gehabt habe und der mich seitdem nicht losließ.

Einst, ich war etwa sechs Jahre alt, träumte ich von einem großen Stern, der am Himmel alle anderen überstrahlte. Er strahlte so hell, dass er die tiefste Finsternis, auch die Finsternis des Bösen, in sein warmes Licht tauchte. Ja, warm war das Licht, oder anders gesagt, es wurde einem warm ums Herz, wenn man das Licht sah. Und dann neigte sich der Stern zur Erde. Und er blieb über einer Hütte stehen, die weit fort, im Mittagsland war. Und in der Hütte waren ein Mann und eine Frau und ein Baby, das in einer Krippe lag. Und als ich das Baby sah, schien es mir, als ob aus ihm der Stern herausleuchtete und sein Strahl mein Herz traf, und mein Herz wurde voller Sehnsucht, dieses Kind einmal zu sehen.

Viel habe ich vergessen aus meiner Kindheit, aber dieser Traum blieb in mir und die Sehnsucht, die an jedem Tag meines Lebens wuchs.

Es ist schwer, mit einer unerfüllten Sehnsucht zu leben, wenn sie zum Teil des eigenen Lebens wird.

Jetzt ist sie unstillbar geworden und ich fühle, dass ich hinziehen muss, wo der Stern mich hinführt."

„Hast Du denn diesen Stern gesehen, Vater?", fragte der junge Fürst.

„Nein, mein Sohn. Aber vielleicht werde ich wieder von ihm träumen oder ihn einmal sehen.

Aber ich habe immer sein Licht gespürt, die Wärme und die Liebe, die von diesem Stern ausging und von dem Kind in der Krippe. Es war, als ob hier die ganze Liebe eines mächtigen Herrschers, der größer ist als alles, was es bisher gegeben hat, aus diesem Kinde strahlte.

Und jetzt will ich Dir mein Land übergeben, meinen Thron und mein Siegel. Du sollst Fürst sein an meiner Stelle, damit ich hinziehen kann, um meine Sehnsucht zu stillen, wenn ich dem Stern wieder begegne."

Der alte Fürst schwieg und schien in die Vergangenheit versunken zu sein. Aber sein Gesicht spiegelte sein Herz wieder, ein Herz, das das Licht des Sternes erfahren hatte.

„Vater", sagte der Junge, „Vater, Du musst weiterregieren. Wer weiß, wann Du den Stern siehst. Ich bin doch viel zu jung und unerfahren."

Der Alte erwachte aus seinen Träumen.

„Nein, mein Sohn, Du wirst das Land weise regieren. Nachher, an der großen Tafel, wer- de ich Dich als meinen Nachfolger bekannt machen und Dir Siegel und Schwert übergeben."

Die Gäste hatten sich an der großen Tafel niedergelassen, der alte Fürst in seinen prächtigen Gewändern, neben ihm sein Sohn, nicht weniger prächtig und neben diesem seine junge Braut, deren Juwelen im Licht der Kerzen funkelten.

Der Fürst stand auf:

„Meine Gäste. Ich begrüße Euch alle an diesem Tage.

Zwei ehrenwerte, alte Geschlechter verbinden sich, zum Wohle dieses Landes.

Gleichzeitig übergebe ich meinem Sohn das Siegel und das Schwert zum Zeichen, dass er der neue Herrscher sein wird."

Die Gäste waren vor Erstaunen stumm.

„Der alte Fürst dankt ab", dachten sie.

„Warum? Das ist doch sonst nicht üblich."

Hinter dem König erschien ein prächtig gekleideter Diener. Er trug ein Kissen, auf dem unter einem seidenen Tuch die Zeichen der Fürstenwürde lagen.

Der Fürst drehte sich um, entfernte das Tuch und nahm von dem Kissen das Siegel, übergab es seinem Sohn und sprach:

„Dies ist das Siegel des Fürsten. Führe es mit der Weisheit, die die Götter Dir geben mögen, damit das Land in Gerechtigkeit und Kraft blühe."

Dann übergab er das Schwert.

„Wo aber die Gerechtigkeit nicht ausreicht, da scheue Dich nicht, das Schwert zu nehmen. Aber gebrauche es niemals mutwillig, sondern immer in der Weisheit der Götter und zum Schutz des Schwächeren und derer, die unter deinen Flügeln wohnen. Und die Götter mögen Dich mit ihrer Weisheit segnen, mit Ihrer Kraft und mit langem Leben, mein Sohn."

Er umarmte und küsste ihn und wischte sich dann selbst eine Träne aus seinem Auge.

Das Fest nahm seinen Lauf.

In der Dunkelheit der Nacht trat der alte Fürst auf den Balkon der Burg und schaute nach Süden.

„Dort hat der Stern geleuchtet, als ich ihn im Traume sah", dachte er. „Und die Sehnsucht, ihn wieder zu sehen, hat mich mein Leben lang begleitet. Ob diese Sehnsucht sich vor meinem Tode erfüllen wird?"

Und als er noch so nach Süden blickte, erstrahlte plötzlich ein Stern, so hell und so rein und so klar, wie er ihn damals als Kind im Traume gesehen hatte. Und die Wärme des Strahles traf das Herz des alten Mannes und er wusste:

„Jetzt wird sich die Sehnsucht erfüllen. Ich werde dem Stern folgen und das Kind sehen."

Dankbar und erfüllt mit der großen Freude, die ein Mensch nur wenige Male in seinem Leben erfährt, sank er auf die Knie und dankte den Göttern für die Gnade, dass seine Sehnsucht ihre Erfüllung finden würde.

Als er in den Saal zurückkehrte, leuchtete sein Gesicht, als ob er selbst der Stern wäre. Die Gäste, bisher beschäftigt mit Tanz und Unterhaltung blickten auf, und als er alle Blicke auf sich versammelt spürte, sprach er:

„Ich habe den Stern der Götter gesehen. Er wird mir den Weg zeigen, den ich gehen werde."

Am nächsten Tage aber ließ er eine Karawane aus rüsten und wenige Tage später verließ er die Burg, um gen Mittag zu ziehen. Und der Stern und seine Sehnsucht leiteten ihn.

Es dauert zu lange, wenn ich hier alle Abenteuer und Schwierigkeiten dieser langen Reise erzählen würde, darum will ich mich kürzer fassen.

Die Männer folgten jedenfalls dem Stern.

Eines Tages machten die Reisenden Rast an der Quelle, jenseits des Jordans, von wo aus in der Ferne die Stadt Jerusalem gerade noch sichtbar ist, wenn die untergehenden Strahlen der Sonne ihre Türme in rotes Gold tauchten.

Und sie fanden bereits zwei andere Karawanen vor, die kurz vor ihnen gekommen waren.

Am Lagerfeuer unterhielten sich die drei Karawanenführer und berichteten von ihren beschwerlichen Reisen. Sie stellten fest, dass sie alle demselben Stern gefolgt waren, um ein Kind zu suchen, den größten und weisesten König, den die Welt je gesehen hatte.

Und am nächsten Tag brachen sie auf in die Stadt auf dem Berge, denn dort, im Schlosse, meinten sie, müsste der König zur Welt gekommen sein, obwohl der alte Fürst daran zweifelte.

Und wie die Geschichte weitergeht?

Ein anderer hat sie erzählt und aufgeschrieben, Matthäus heißt er und er berichtet von den Weisen, die dem Stern gefolgt waren und von dem Licht, das von diesem König ausging, bis heute.

 

 

 

 

Krippenspiele

 

 

Der Zauberteppich

 

Ein weihnachtliches Spiel für Kinder

 

Personen

Junge 1

Junge 2

Mädchen

Diener

Königin

Oma

Maria

Joseph

1 Engel (oder beliebig viele)

1 Hirte (oder mehr)

Nach Bedarf kann der/die Hirten von Tieren (Kindern) begleitet werden.

 

Mädchen, Junge 1 und Junge 2 räumen einen großen Pappkarton aus und finden alte Kleider.

Mädchen: Schaut mal, was hier ist!

Junge 2: Komm, wir wollen Verkleiden spielen.

1Junge 1: Schau hier, ich bin ein Zauberer.

Junge 2: Und hier, ich bin ein Ritter.

Mädchen: Und ich bin Prinzessin.1

Junge 2 nimmt einen Helm und einen Brustpanzer und einen Spieß.

Junge 1: Und hier ist ein Stock. Beinahe wie ein Zauberstab.

Junge 2: Quatsch, das ist ein Dolch.

Mädchen: Hier, ein Schleier und ein Hut.

Mädchen nimmt den Schleier und den Hut, Junge 2 nimmt den Dolch Jungen 1 weg. Junge 1 wühlt weiter in dem Karton. Er zieht eine Jacke heraus und zieht sie sich an.

Junge 2: Steht dir gut.

Junge 2 wühlt in dem Karton.

Junge 2: Schau hier, ein alter Teppich. Komm, wir stellen uns drauf.

Alle drei stellen sich auf den Teppich.

Junge 1: Wir könnten in einem Schloss auftreten: Als Prinzessin, als Ritter und als Zauberer.

Ein Gong ertönt. Es wird dunkel und dann wieder hell. Der Pappkarton ist verschwunden.

Ein Diener des Königs kommt und winkt ihnen zu, dass sie mitkommen sollen:

Junge 1: Wer bist Du denn? Hast Du Dich auch verkleidet?

Diener: Verkleidet?

Junge 2: So läuft doch heute kein

Mensch mehr rum. Vor 500

Jahren vielleicht.

Diener: Das ist die Festkleidung, die Ihre Majestät, die Königin extra angeordnet hat.

Junge 1: Ich glaube, bei dem tickt's nicht richtig.

Diener: Was ist das: ticken?

winkt weiter zur Mitte hin.

Junge 1: Doofmann!

Die Königin kommt mit Hofstaat (Dienern)

Königin: Da ist Er ja endlich, Oberzauberer. Wo hat Er denn so lange gesteckt? Hat Er die Prinzessin und den Ritter auch mit gebracht?

Königin bemerkt den Ritter.

Königin: O, mein Ritter. Schön, dass Ihr

hier seid. Ich habe mich Euch gar nicht so gut bewaffnet vorgestellt. Und die Prinzessin habt Ihr auch mitgebracht.

Sieht sie von allen Seiten an: Sieht gut aus. Das wird die richtige Frau für meinen kleinen Sohn sein.

Junge 2: Was ist denn hier eigentlich los?

Junge 1: Total bescheuert sind die.

Königin: Wir können den Krieg gleich beginnen. Heute noch zieht Ihr gegen den falschen König von Rosinenland.

Komm mein Ritter.

Will ihn mit sich ziehen.

Und Euch, Zauberer, will ich königlich belohnen.

Junge 1: Hey, warte noch.

Er zieht Jungen 2 und Mädchen auf den Teppich.

Bloß weg hier.

Der Gong ertönt. Es wird dunkel, und als es hell wird, stehen sie wieder neben der Kiste.

Junge 1: Mann, war das ein Theater.

Mädchen: Schade, ich wäre so gerne Königin geworden.

Junge 2: Was war das eigentlich, habe ich geträumt?

Junge 1: Wir waren irgendwo anders. - Moment mal, wollten wir nicht in einem Schloss auftreten, Ihr beiden als Ritter und Prinzessin und ich als Zauberer?

Junge 2: Ja und?

Mädchen: Mann! Begreif doch...

Junge 1: Da sind wir einfach wie mit

einem Zauberteppich hingekommen.

Junge 2: Wenn das ein Zauberteppich ist...

Mädchen: Endlich hast Du's geschnallt.

Junge 1: Wenn das ein Zauberteppich ist, dann können wir überall hin, wo wir nur wollten. Sogar auf den Mond.

Junge 2: Ohne Schutzkleidung? Dürfte ein bisschen kalt sein. - Du, wenn das aber so ist wie im Märchen, wo man nur drei Wünsche hat, und wir kommen nach dem 3. Wunsch nicht mehr zurück?

Junge 1: Du hast Recht. Zwei Wünsche hatten wir ja schon. - Hm -

Mädchen: Wir sollten es einfach riskieren.

Junge 2: Und wohin jetzt: Kommt, lass uns überlegen.

Beide stehen auf dem Teppich und überlegen.

Mädchen: Ich muss gerade an meine Oma denken. Die backt immer so schönen Pflaumenkuchen. Komisch, was?

Junge 2: Ich bekomm wirklich Hunger. Wollen wir da hin?

Junge 1: Gut, damit bin ich einverstanden. Du auch?

Mädchen: Klar. Auf zur Pflaumenkuchenoma.

Der Gong ertönt. Es wird dunkel, und als es hell wird, sehen sie einen kleinen Tisch mit einem Kaffeegedeck und einem Stuhl. Der Karton ist nicht mehr da.

Die Oma kommt.

Oma: Hallo, Kinder, wie kommt ihr

denn hier her? Warum habt ihr denn nicht geschrieben, ich

hätte Euch eine so richtig schöne Käsetorte gebacken.

Mädchen: Ach Oma, da ist eine so komische Geschichte.

Oma: Papperlapapp. Ist ja auch egal. Nun setzt Euch erst mal hin, Ihr drei.

Da fällt mir ein: Ich habe ja einen Pflaumenkuchen im Ofen. Wie kann man nur so vergesslich sein. Ja, ja, ich werde eben alt.

Oma geht ab.

Junge 1: Du hast 'ne dufte Oma.

Mädchen: Klasse, was?

Junge 2: Und die kann so guten Kuchen backen?

Mädchen: Wirst ja sehen.

Oma kommt mit Pflaumenkuchen wieder.

Oma: So, Kinder, nun setzt Euch erst mal und esst, und dann erzählt Ihr , wie Ihr her gekommen seid. Hat Euch Euer Vater gebracht? Oder seid Ihr mit dem Bus oder der Tecklenburger Kleinbahn gekommen?

Junge 1: Nein Frau Meyer...

Oma: Sagt ruhig Oma zu mir, Ihr Zwei, das tun die Leute hier im Dorf auch.

Junge 2: Danke Oma.

Kinder essen Kuchen.

Junge 1: Der Kuchen schmeckt prima!

Mädchen: Ja, das war so. Wir haben da einen alten Teppich gefunden....

Junge 2: ... einen richtigen Zauberteppich....

Junge 1: ... und da haben wir uns raufgestellt und dann gewünscht, wir könnten bei der Pflaumenkuchenoma sein.

Oma: Wo könntet Ihr sein?

Junge 2: Bei Dir, bei der Pflaumenkuchenoma.

Oma: Und das geht?

Junge 1: Klar, Prima.

Oma: Dann könnte ich ja damit auch sehr gut einkaufen, weil es doch hier im Dorf so wenig Läden gibt.

Mädchen: Oder verreisen.

Junge 2: Aber das hat noch einen Haken.

Oma: Und welchen?

Junge 1: Wir wissen nicht, wie lange das funktioniert.

Mädchen: Vielleicht wie bei Märchen, drei Mal. Ich meine, wir könnten vielleicht nicht mehr zurückkommen?

Oma: Ach, das macht nichts, dann bleibt Ihr eben ein paar Tage hier. -

Wisst ihr was, Kinder, ich würde gerne mal nach Palästina fahren. Geht das mit einem solchen Teppich?

Junge 2: Aber natürlich, wenn er noch funktioniert.

Oma: Dann packe ich gleich meinen Koffer. Ihr esst den Pflaumenkuchen und dann geht die Reise los.

Oma geht von der Bühne ab.

Junge 1: Meinst du wirklich, dass das

gut geht mit der Oma?

Mädchen: Aber natürlich. Ist doch meine Oma.

Junge 2 überlegt einen Augenblick: Weißt du was, wo doch bald Weihnachten ist, da könntenwir doch nach Bethlehem fliegen.

Junge 1: Und weißt Du was, wir könnten doch bei der Geburt von Jesu ankommen.

Mädchen: Aber was ist, wenn uns der Teppich nicht mehr zurück bringt?

Junge 1: Dann hat das Jesuskind eine Oma mehr und uns drei als Freunde. Klar?

Junge 2: Klar!

Mädchen: Klar!

Oma kommt mit einem Koffer. Regenschirm und einer Tüte.

Mädchen: Aber Oma, was hast Du denn alles mitgenommen?

Oma: Na, für eine solche Reise muss man doch gerüstet sein.

Junge 1: Und was ist in der Tüte?

Oma: Pflaumenkuchen, damit wir nicht verhungern.

Junge 2: Oje, diese Omas!

Oma: Sagtest Du etwas, mein Kind?

Junge 2: Nein, wieso?

Oma: Dann wollen wir mal Euren Teppich ausprobieren.

Mädchen: Puh, eng wird das hier.

Junge 1: Oma, Du darfst jetzt nichts laut sagen, weil wir sonst irgendwo anders heraus kommen.

Oma: Ich bin ja schon still.

Junge 1: Wir wollen nach Bethlehem, zur Geburt von Jesu.

Gong. Es wird dunkel. Vorhang zu.

 

Ansager: Und weil die Reise etwas länger dauert, selbst ein Zauberteppich braucht seine Zeit, singen wir jetzt ein Weihnachtslied.

Weihnachtslied wird gesungen.

Als es wieder hell wird, sind einige Hirten (eventuell mit Schafen) auf der Bühne.

 

Oma und die Kinder stehen auf dem Teppich in der Mitte der Bühne.

Hirte: Vorhin haben wir Engel gesehen. Wir gehen hin und suchen das Kind, von dem uns die Engel erzählt haben. Kommt Ihr mit?

Oma: Natürlich kommen wir mit. Darum sind wir ja hergekommen. - Aber wo sind wir denn eigentlich?

Junge 1: Du wolltest doch nach Palästina, und da sind wir jetzt.

Junge 2: Und weil bald Weihnachten ist, dachten wir,...

Mädchen: ...dass wir gleich zum Jesus-Kind im Stall gehen können.

Oma: Dass ich so etwas noch erlebe.

Sie sinkt ohnmächtig zusammen. Einer der Hirten fängt sie auf.

Junge 1: Pass bloß auf den Pflaumenkuchen auf, dass er nicht zerdrückt wird.

Mädchen: Oma, was hast Du?

Oma: Ich glaube, es geht mir schon besser.

Junge 2: Dann wollen wir gehen.

Junge 1: Ich muss noch schnell den Teppich zusammenrollen.

Junge rollt den Teppich zusammen und nimmt ihn mit.

Sie gehen los.

Hirte: Da muss es sein, sonst gibt es hier keinen anderen Stall in der Nähe.

Gesang: Mit den Hirten will ich gehen.

 

Während des Liedes wird der Vorhang zugezogen und die Bühne umgeräumt.

Krippe im Stall. Maria und Joseph.

Maria: Da schläft unser Baby. Was so ein kleiner Kerl schon alles mitmachen muss.

Joseph: Er soll nur schlafen. Und Du, ruh Dich aus.

Maria: Ich höre Stimmen, nein, da singt jemand, wunderschön, und jetzt sind es mehrere, ein ganzer Chor.

Joseph: Es hört sich an, als ob Engel singen.

Engel kommen und singen.

Maria: Jetzt sehe ich Engel, viele Engel. O Joseph, ich habe Angst. Ob das die Todesengel sind?

Sie knien vor den Engeln nieder.

Ein Engel tritt hervor.Engel: Fürchtet Euch doch nicht. Du Maria, hast Gott zur Welt gebracht, den, der die Welt erlösen wird. Das ist ein Grund zur Freude, und darum singen wir.

Der Engel reicht ihnen die Hand und sie stehen auf.

Ich glaube, Ihr bekommt Gäste.

Die Engel treten in den Hintergrund.

Die Hirten, Oma und die Kinder kommen.

Die Hirten verneigen sich vor Maria und Joseph, dann gehen sie schweigend zur Krippe und Knien dort nieder.

Oma geht zuerst zur Krippe und dann zu Maria und Joseph. Die Kinder bleiben bei der Krippe.

Oma: Herzlichen Glückwunsch. Das ist ja ein Prachtbaby.

Maria: Danke, aber wer sind Sie?

Oma: Und ich habe Ihnen auch etwas mitgebracht. In der Eile habe ich nichts besseres gefunden. Hier, frischer Pflaumenkuchen.

Schmeckt prima, der beste Pflaumenkuchen der Welt, den die Oma aus Brochterbeck backen kann.

Maria: Danke, vielen Dank.

Oma: Aber ich bitte Sie, keine Ursache. Ich habe ja selbst Kinder und weiß, wie man sich nach der Geburt fühlt.

Joseph: Aber wer sind Sie?

Oma: Ach entschuldigen Sie Herr Joseph, entschuldigen Sie, meine Liebe, ich bin Frau Minna Meyer aus Brochterbeck. Das da ...

(sie zeigt zur Krippe, an der die beiden Kinder knien) sind meine Enkelin und ihre kleinen Freunde.

Mädchen: Wie süß das kleine Jesuskind. Es lächelt so, als ob es sich freut.

Maria: Ja, es freut sich über euren Besuch, genauso, wie wir uns freuen.

Mädchen: Ich habe gar kein Geschenk mitgebracht. Aber hier, dies Armband schenke ich Dir Maria.

Maria: Danke, mein Kind.

Junge 1: Und ich habe nichts anderes als ein Taschenmesser. Das soll Joseph haben. Hier.

Junge 2: Und ich habe eine Rolle Draht.

Zieht sie aus der Hosentasche

Damit kann man eine Menge machen…

Joseph: Danke, danke Ihr zwei.

Oma sieht sich überall um und schüttelt missbilligend den Kopf.

Oma: Haben Sie einen Besen oder einen Staubsauger hier? Ich glaube, ich sollte mal ausfegen. Sonst bekommt das Kind noch Viren oder Bakterien.

Joseph: Einen Staubsauer? Was ist das?

Oma: Ach, entschuldigen Sie, bei mir geht das Temperament immer durch. Einen Besen meine ich natürlich. Hier gibt es ja sicher keinen Strom.

Joseph: Strom?

Maria: Lass nur Joseph, es sind Fremde, die von weit herkommen. Sie haben andere Wörter.

Zur Oma: Ein Besen steht dort in der Ecke. Aber Sie müssen wirklich nicht ausfegen. Wenn es mir besser geht, dann mache ich es selbst.

Oma: Papperlapapp. Das mache ich gleich.

sie wendet sich zum Mädchen

Kind, lass Dir einen Staublappen geben. Und Ihr Jungens, hurtig, helft beim Aufräumen!

Oma fegt den Stall aus.

Maria und Joseph essen den Kuchen.

Maria: Danke für den Kuchen, er schmeckt, als ob er direkt aus dem Paradies kommt.

Oma: Danke, das Kompliment hat mir noch keiner gemacht. Aber warum sind denn keine Engel hier? Die müssten doch hier sein.

Maria: Die sind auch hier. Vielleicht haben Sie bisher keine Zeit für die Engel gehabt? Da.

Sie zeigt auf die Engel.

Oma erschrickt.

Oma: O, sie habe ich gar nicht gesehen. Entschuldigen Sie bitte, meine Damen und Herren Engel. Ich dachte bisher immer, Engel, Engel hätte die Bibel erfunden.

Maria: Nein, sie sind hierher gekommen, um ihrem Herrn etwas vorzusingen.

Engel singen wieder.

Die Hirten stehen schweigend auf und verbeugen sich vor Maria und Joseph und wenden sich zur Tür.

Junge 1: Ich glaube, wir sollten wieder aufbrechen. Vielleicht können wir noch ein Mal wiederkommen.

Junge 2: Auf Wiedersehen und alles Gute.

Mädchen: Maria, Du siehst so müde aus. Wir gehen jetzt. Alles Gute.

Oma: Alles Gute, Herr Joseph, alles Gute meine Liebe, für Sie und das Baby.

Junge 1: Kommt, wir stellen uns wieder auf den Teppich.

Sie stellen sich auf den Teppich. Ein Gong ertönt. Es wird dunkel. Vorhang.

Als es wieder hell wird, sind sie bei der Großmutter.

Oma: Das ist ja ein toller Teppich. Einfach zur Geburt Jesu hin und zurück.

Aber wenn ich es bedenke, sah das Baby aus wie jedes andere Baby, ganz ohne Heiligenschein. Aber dafür hat den Eltern mein Pflaumenkuchen ge- schmeckt. Die haben bestimmt noch nie in ihrem Leben so etwas gegessen.

Junge 1: Da, der Teppich, seine Farben werden ganz blass, er zerfällt!

Junge 2: Wie schade, ich hätte gerne einmal Herodes kennen gelernt.

Mädchen: Und ich mit dem Jesuskind gespielt.

Oma: Jetzt müsst Ihr drei erst einmal hier bleiben. Ich rufe Eure Eltern an.

Aber wie soll ich denen bloß erzählen, was wir erlebt haben? Das glaubt uns ja doch keiner.

Zum Publikum Oder Ihr etwa?

Vorhang.

 

 

 

 

Waldweihnacht

 

Ein Weihnachtsspiel mit vielen Variationsmöglichkeiten: Personen, Tieren, Gegend.

 

 

1. Teil

 

Die Tiere kommen nach und nach auf die Bühne. Nach ihren Vorträgen treten Sie in den Hintergrund.

Löwe: Ich bin der König der Tiere. Vor mir haben alle Angst.

Kein Wunder, ich bin der Stärkste und Mächtigste von allen. Und wer der Stärkste und Mächtigste ist, der hat zu sagen und alle müssen gehorchen.

Wildschwein: Ich bin Otto, das Wildschwein. Ich suche mein Fressen im Wald. Dem Löwen gehe ich lieber aus dem Wege. Wer weiß, vielleicht will er mich sonst einmal fressen. Aber es gibt auch Tiere, die vor mir Angst haben. Mir macht es Spaß, andere zu erschrecken. Ich bin eben Otto, das Wildschwein.

Fuchs: Ich bin Reineke, der Fuchs. Ich bin der Klügste unter allen Tieren. Vor mir ist kein Huhn sicher auf dem Bauernhof und keine Gans auf der Wiese. Was glaubt ihr, habe ich schon bei Kaldemeiers alles geholt. Angst vor dem Löwen sollte ich haben? Na ja, etwas schon. Aber ich kann ihm ja aus dem Wege gehen.

Pferd: Seit ich von dem Hof in Brochterbeck weggelaufen bin, lebe ich hier im Wald. Als Pferd habe ich genug zum Fressen. Ich bin ein sehr stol-zes Pferd. Viele Kinder habe ich schon abgeworfen. Ich kann mich mit meinen Hufen gut wehren. Nur der Löwe ist über mir.

Hase: Ich bin nur ein armer kleiner Hase. Ich tue keinem etwas zuleide. Keiner hat Angst vor mir. Ich habe aber vor den meisten Tieren Angst. Da für kann niemand so gut laufen wie ich und keiner so gut Haken schlagen.

Uhu: Ich bin Dr. Weise, der Uhu. Nachts kann ich besonders gut sehen. Und dann denke ich auch viel nach. Der Fuchs mag vielleicht listiger sein, klüger als ich ist er bestimmt nicht.

Reh: Ich bin Bambi, das Reh. Eigentlich lebe ich mit allen Tieren im Frieden. Nur vor dem Löwen muss ich mich in acht nehmen. Warum kann der nicht auch von Gras und Blät- tern leben, wie ich?

Engel kommt auf die Bühne

Engel: Kommt ihr Tiere kommt und hört, was Gott, euer Schöpfer zu sagen hat. Ich bin sein Bote. Er schickt mich zu euch.

Tier nähern sich dem Engel und umringen ihn.

Engel: Gott, der Schöpfer aller Dinge und allen Lebens will, dass auf Erden Frieden ist. Und als Anfang des Friedens will er, das Menschen und Tiere wenigstens eine Nacht und einen Tag Frieden halten.

Denn in dieser Nacht ist vor langer Zeit der Heiland geboren. Gott ist selbst in dieser Nacht Mensch geworden. Und deshalb soll diese Nacht eine heilige Nacht sein und alles, was er geschaffen hat, ohne Angst und in Frieden leben.

Bei euch soll dieser Frieden anfangen. Darum schickt Gott, der Allmächtige mich zuerst zu euch.

Reh: Richtig Frieden soll sein?

Uhu: Keiner muss mehr Angst haben?

Engel: So soll es sein.

Löwe: Und wissen das die Menschen auch?

Engel: Sie wissen es schon lange. Aber die Menschen lieben den Streit mehr als das Vertragen und den Krieg mehr als den Frieden. Es gibt nur wenige, die sich danach richten.

Pferd: Was für dumme Tiere die Menschen sind.

Hase: Wir als Tiere wollen Frieden halten.

Wildschwein: Lasst uns überlegen, wie wir diese Nacht feiern können.

Fuchs: Ja feiern wollen wir. Wir machen ein großes Friedens- fest.

Engel geht ab. Die Tiere ziehen sich in eine Ecke der Bühne zurück und überlegen, wie sie Weih nachten feiern können.

 

 

2. Teil

 

Kinder kommen. Sie haben sich verirrt.

Kind 1: Du, ich freue mich schon auf den Kuchen von Oma Mienchen.

Kind 2: Ich habe schon richtigen Hunger.

Kind 1: Haben wir auch die Kerzen und den Tannenbaumschmuck mitgenommen?

Kind 2: Aber ja, ich habe doch alles eingepackt, sogar die dicke Decke.

Kinder gehen auf der Bühne umher.

Kind 1: Wenn nur der Weg nicht so weit wäre. Er kommt mir ganz anders vor als sonst.

Kind 2: Da ist ja die Abkürzung, von der uns Herr Weid immer erzählt hat.

Kind 1: Es ist so unheimlich.

Kinder hören Waldgeräusche (Uhu,

eventuell Tonband oder Kassette

einschalten)

Kind 2: Es ist so dunkel, da ich sehe den Mond!

Kind 1: Ich habe Angst.

Kind 2: Ich auch. Ich habe Hunger und friere.

Nach einer kleinen Pause, unterbrochen von Waldgeräuschen

Kind 1: Ich kann nicht mehr. Ich möchte nach Hause zu meiner Mutti.

Kind 2: Komm, wir setzen uns.

Kind 1: Wie dunkel es wieder ist.

Kind 2: Wir wollen einen kleinen Augenblick Pause machen.

Kinder setzen sich und kuscheln sich aneinander. Sie nehmen die Decke aus dem Korb und legen sie um die Schulter.

Kind 1: Ich will schlafen.

Nach einigen Augenblicken sind die Kinder eingeschlafen.

 

 

3. Teil

 

Tiere kommen vorsichtig und umringen die Kinder.

Reh: Ob das der Heiland ist, von dem der Engel gesprochen hat?

Uhu: Nein, der Heiland muss größer sein, wenn er für die ganze Welt da ist.

Löwe: Wenn er gerade geboren ist, muss er kleiner sein. Meine Kinder sind auch kleiner.

Pferd: Woher sollen wir wissen, wie der Heiland aussehen soll?

Hase: Du hast Recht. Und dies sind zwei Menschenkinder.

Wildschwein: Wisst ihr was? Wir warten, bis sie wach sind und fragen sie dann.

Fuchs: Das wollen wir tun. Seid ihr einverstanden?

Alle: Ja, wir warten.

Tiere warten. Hier kann eine Zwischenmusik gemacht werden: Blockflöte, Weihnachtslieder oder anderes

Kind 1 reibt sich die Augen

Kind 1: Es ist so dunkel - Wo bin ich? Ich habe Angst.

Kind 2: Ich habe so schön geträumt, von vielen Tieren, die sprechen konnten.

Kind 1: Ich auch. Von einem netten Löwen und anderen Tieren.

Kind 2: Es ist hier unheimlich. Da - da -Tiere.

Kind 1: Hilfe! Ein Löwe! Hilfe!

Kind 2: Hilfe! Hilfe!

Kinder wollen aufspringen und weglaufen.

Reh: Bleibt hier, Menschenkinder, wir tun euch nichts,

Uhu: Nein, wir tun euch wirklich nichts.

Löwe: Ihr braucht nicht wegzulaufen.

Kind 1: Träume ich. Ich kann die Tiere ja verstehen.

Kind 2: Die Tiere reden in unserer Sprache.

Pferd: Ihr könnt uns verstehen. Dies ist nämlich die Heilige Nacht.

Hase: Ja, eine heilige Nacht.

Kind 1: Heilige Nacht? Ja richtig, es ist ja Weihnachten.

Kind 2: Weihnachten.? Woher wisst ihr Tiere denn davon? Herr Weid hat uns nichts davon erzählt, dass Tiere auch Weihnachten feiern.

Wildschwein: Ein Engel war hier und hat es uns gesagt.

Kind 1+2: Ein Engel?

Fuchs: Ja, ein Engel. Gerade, bevor ihr gekommen seid.

Reh: Er hat uns vom Frieden erzählt. Aber Weihnachten, was ist das?

Kind 1: Weihnachten das sind Geschenke und ...

Kind 2: Quatsch, Geschenke sind doch gar nicht das Wichtigste. Also, das war so: Vor langer, langer Zeit hat Gott gesagt, dass er ein Mensch werden wollte.

Wildschwein: Warum nicht ein Wildschwein, so wie ich?

Löwe: Sei ruhig, Wildschwein Otto, lass die Kinder erzählen!

Kind 2: Er wollte ein Mensch werden, damit die Menschen merken, wie lieb er sie alle hat. Die Menschen und auch die Tiere.

Kind 1: Und da ist er als ganz kleines Menschenbaby geboren und seine Mutter hieß Maria. Und Josef war auch da.

Kind 2: Er ist ganz arm geboren, in einem Stall.

Hase: Was ist ein Stall?

Wildschwein: Bist du aber dumm, dass du das nicht weißt. Das ist doch ein Wohnhaus für Tiere

Kind 2: Und Tiere sind dann auch hinge kommen und haben den kleinen Heiland gesehen: Schafe und Hirtenhunde und vielleicht auch Ochsen und Esel.

Löwe: Auch ein Löwe?

Kind 2: Nein. das glaube ich nicht. Vielleicht wohnte in der Gegend kein Löwe.

Löwe: Schade, dann hätte ihn doch wenigstens einer von uns gesehen.

Kind 1: Das war damals eine heilige Nacht. Da hat kein Tier einem anderen etwas getan.

Kind 2: Und dann haben sie dem Kind und den Eltern Geschenke mitgebracht, weil sie doch so arm waren.

Kind 1: Und seit der Zeit feiern die Menschen Weihnachten, die Heilige Nacht.

Löwe: Wir wollen euch auch beschenken, weil ihr so arm seid und solchen Hunger habt. Ich habe noch ein schönes, blutiges Stück Fleisch in meinem Bau, das will ich euch schenken.

Wildschwein: Und ich suche euch wunderschöne Trüffel, die besten, die hier im Wald wachsen. Eicheln könnt ihr auch von mir haben.

Hase: Und ich schenke euch eine Möhre und saftiges Gras. Ich kenne eine Stelle, an der das zarteste Gras des ganzen Waldes wächst.

Kind 1: Danke, danke, liebe Tiere. Aber wir Menschen vertragen kein rohes, blutiges Fleisch.

Kind 2: Und dein Gras können wir leider auch nicht essen.

Kind 1: Aber wir wollen euch einen Weihnachtsbaum schmücken.

Kind 2: Ja, kommt und seht zu, wie Menschen Weihnachten feiern.

Kinder schmücken den Baum, der in der Mitte der Bühne steht und zünden die Kerzen an.

Reh: Wie schön das ist.

Uhu: Ja, als ob die Sterne vom Himmel gekommen wären.

Löwe: Ihr müsst wunderbar Weih- nachten feiern.

Pferd: Das ist eine richtige Heilige Nacht.

Kinde singen: Stille Nacht, heilige Nacht, 1. Strophe oder Flötenmusik

Kind 2: Kommt Tiere, wir wollen euch noch mehr von Weihnachten erzählen.

Kinder und Tiere setzen sich in eine Ecke der Bühne.

 

4. Teil

Der Förster geht suchend durch den Wald

Förster ruft: Kinder, Kinder, wo seid ihr? - Kinder, Kinder! Wo diese Kinder nur sind? Sie wollten Oma Mienchen besuchen, und jetzt sind sie schon seit vielen Stunden verschwunden. Ob sie sich verirrt haben?

ruft wieder: Kinder - Kinder!

Er sieht dann die Kinder und die Tier, schleicht sich näher heran und hört ihnen zu.

Da bemerken ihn die Tiere und wollen sich auf ihn stürzen. Die Kinder können die Tiere aber gerade noch zurückhalten.

Kind 1: Halt, Tiere, halt, er tut euch nichts!

Kind 2: Heute ist doch die Heilige Nacht. Da dürft ihr dem Förster keine Angst machen.

Förster: Da seid ihr ja, Kinder. Das ganze Dorf sucht euch. Was macht ihr denn hier eigentlich.

Kind 1: Wir feiern mit den Tieren Weihnachten.

Förster: Was macht ihr?

Kind 2: Du hast uns richtig verstanden. Heute ist Weihnachten, und da feiern wir mit den Tieren die Heilige Nacht.

Förster: Und ihr könnt die Tiere verstehen?

Kind 1: In dieser Nacht geht das, weil ja Heilige Nacht ist.

Förster: Und die Tiere? Glauben die Euch das so einfach?

Löwe: Ein Engel war hier und hat es uns gesagt, und dann kamen auch die Kinder.

Förster: Du kannst ja reden, Löwe! Ich glaube, ich träume doch.

Löwe: Du träumst nicht, Förster. Aber in dieser Nacht und an dem Tag, der dann folgt, darfst du niemals ein Tier schießen oder fangen oder ihm Angst machen, weil dies eine heilige Zeit ist. Versprichst du das?

Förster: Ja, das verspreche ich euch. Aber jetzt müssen wir nach Hause gehen. Eure Eltern machen sich schon Sorgen und Großmutter Mienchen ist schon ganz hibbelig vor Angst.

Kind 2: Dann wollen wir die Kerzen vom Baum nehmen. - Helft und doch bitte, ihr Tiere.

Kinder und Tiere nehmen die Kerzen ab.

Kinder: Auf Wiedersehen, ihr Tiere!

Tiere: Auf Wiedersehen, ihr Kinder!

 

 

5. Teil

Bewohner des Dorfes geben an, was sie alles bekommen haben und was sie sich noch leisten können.

Bewohner 1:Also, das ich es euch sage: Ich habe zum Fest meine Wohnung neu gestrichen

Bewohner 2:Nur gestrichen? Das muss ja auch mal nötig gewesen sein. Ich habe mir sogar neue Möbel gekauft.

Bewohner 1:Ach, geh doch, deine billigen Möbel.

Bewohner 2:Billige Möbel? Billige Möbel sagt das Weibsstück? Das ist doch die Höhe.

Bewohner 1:Was, du nennt mich Weibsstück? Du, du Miststück du!

Wollen sich in die Haare gehen

Förster kommt mit den Kindern

Förster: Hallo, Leute, hier sind eure Kinder.

Bewohner 3:Wo wart ihr nur, wo habt ihr euch die ganze Zeit herum getrieben?

Bewohner 4:Wir haben uns so große Sorgen gemacht. Das ganze Fest ist im Eimer. Und die beste Fernsehsendung habe ich auch versäumt. Wie gut, dass ich mir einen Videorecorder ge-

kauft habe. Da muss ich mir keine Sendung ausfallen lassen, wenn ihr euch mal wieder verlauft.

Bewohner 3:Was, du hast dir einen Videorecorder gekauft, wo wir doch so große Schulden haben?

Bewohner 4:Ja, habe ich, und einen neuen Wagen dazu. Mit dem alten konnte ich mich ja nicht mehr sehen lassen.

Bewohner 3: Dann schadet es ja nichts, wenn ich auch noch einen neuen Pelzmantel gekauft habe.

Förster: Hier sind eure Kinder.

Bewohner 3:Ach das haben wir ja fast vergessen. Wo wart ihr eigentlich?

Kind 1: Wir haben uns verlaufen!

Bewohner 1:Ihr seid doch zu blöd, um in den Wald zu gehen.

Bewohner 2:Halt dich da heraus. Oder sind das deine Kinder?

Bewohner 1:Ich sage, was ich denke, du Miststück.

Bewohner 2 droht Bewohner 1 mit der Faust

Kind 2: Ja wir haben uns verlaufen und dann sind wir eingeschlafen und als wir aufgewacht sind, waren ganz viele Tiere da.

Kind 1: Und die Tiere konnten sprechen, und wir haben mit ihnen Weihnachten gefeiert

Bewohner 3:Ihr spinnt ja. Tiere können gar nicht sprechen.

Kind 1: Aber doch Sie haben uns auch er zählt, dass ein Engel zu ihnen gekommen ist, der ihnen erzählt hat, dass dies eine Heilige Nacht ist.

Bewohner 4:Nun werdet nicht unverschämt, Kinder sollen nicht lügen. Tiere können nicht sprechen. Und damit basta!

Bewohner 3:Wie war das, Förster?

Förster: Doch, die Kinder haben recht. Ich habe selbst mit den Tieren gesprochen.

Bewohner 3:Nun spinnt der auch noch.

Bewohner 1:Ist ja auch egal, Aber dass dieses Miststück mich Weibsbild nennt, ist eine Unverschämtheit.

Bewohner 2:Ich werde dich anzeigen, jawohl, anzeigen wegen Beleidigung und dann wirst du schon sehen, was du davon hast.

Erwachsene gehen streitend in den Hintergrund.

Kind 1: Manchmal sind die Tiere wirklich besser, die hören wenigstens, wenn Gott zu ihnen spricht.

Kind 2: Ja, lass uns wieder in den Wald gehen, hier braucht uns ja doch keiner.

Kinder gehen ab.

Vorhang

 

 

 

 

Der Stein des Lebens

 

Inhalt

1. Versteckspielende Kinder. Zwei Kinder verstecken sich im Kirchturm und finden einen losen Stein in der Wand. Als sie ihn herausnehmen, entdecken sie dahinter in ein Tuch eingewickelt einen seltsamen Stein. Die anderen Kinder rufen nach ihnen. Sie nehmen den Stein in die Hand und plötzlich verwandelt sich ihre Welt.

2. Gestalten erscheinen aus ferner Zeit. Eine kleine graue Gestalt sagt ihnen: „Nehmt den Stein, er zeigt euch den Weg zum Leben." Die Kinder gehen weiter. Sie befinden sich vor einem König. Gefolge. Zauberer will ihnen den Stein entreißen. Die kleine graue Gestalt ruft ihnen zu: „Geht und sucht das Leben!"

3. Im Wald. Tiere umgeben sie. Sie fürchten sich, aber die Tiere reden freundlich mit ihnen. Eine kleine graue Gestalt begegnet ihnen und sagt: „Geht und sucht den Weg zum Leben."

4. Im Dorf. Sie fragen nach dem Weg zum Leben. Ein alter Mann zeigt in eine Richtung: „Dort soll es langgehen, hat mein Großvater mir gesagt. Aber bisher ist keiner dahingegangen."

5. Die Kinder gehen in die Richtung. Sie kommen zu einem Stall und finden Maria und Joseph und das Kind. Der Stein leuchtet in ihrer Hand. Sie schenken ihn Maria.

6. Plötzlich sind wie wieder im Turm. Die anderen Kinder rufen noch nach ihnen. „Haben wir das geträumt", fragen sie, aber dann sehen sie Stroh an ihren Schuhen, Stroh von der Krippe.

 

 

1. Teil

 

In den Kirchturm, die Tür ist offen, kommen zwei Kinder( K1 und K2). Andere sind draußen zu hören. (K=Kinder)

K3: Jetzt bist du dran, zu suchen.

K4: Nein, Gaby muss suchen.

K5: Nein Hans.

Hans: Los, versteckt euch, ich zähle laut bis 10.

zählt: 1 - 2 - 3 - 4 - 5.-

Zwei Kinder kommen auf die Bühne.

K1: Hier verstecken wir uns

K2: Da findet uns bestimmt keiner

K1: Hier, hinter der alten Leiter

K2: Puh. ist das dreckig. Da hat bestimmt seit ein paar hundert Jahren keiner mehr Staub gewischt.

Hans ist zu hören:

-6 - 7 - 8 - 9 - 10. Ich komme.

K1: Los. komm hier weiter. Da ist es noch dunkler.

K2: Au!

K1: Was ist denn?

K2: Ich habe mich gestoßen.

K1: Da ist ein Stein an der Wand

K2: Ja, der scheint lose zu sein.

K1: Zeig mal, ob wir den rausziehen können.

Versucht es

K1: Hier, ich hab ihn.

K2: Du, da ist was dahinter, das leuchtet so komisch. Ich hab Angst.

K1: Ich schau mal nach. - Quatsch, du brauchst keine Angst zu habe. Ich glaube, da ist etwas in ein Tuch eingewickelt.

K2: Lass mal sehen.

Man hört draußen rufen:

Petra, Dennis, wo seid Ihr, kommt raus, wir haben keine Lust mehr!

Der Stein leuchtet.

K1 O, wie er leuchtet.

K2: Was für ein schönes Licht!

Der Hintergrund ändert sich. Zuerst wird es dunkel, dann ertönt Musik. (Kassette, mittelalterliche Musik)

Langsam wird es wieder hell.

Gestalten treten auf, ohne etwas zu sagen:

Eine Fee, ein Ritter, ein Bauer, sie sind fremdartig angezogen.

Eine kleine graue Gestalt kommt auf die Kinder zu:

Grauer: Nehmt den Stein, er zeigt euch den Weg zur Mitte der Welt, den Weg zum Leben. Gebt ihn dort ab.

K1: Wer bist du?

K2: Wo sind wir?

K1: Wohin sollen wir gehen?

Grauer: Nehmt den Stein, er zeigt euch den Weg zur Mitte der Welt. Gebt ihn dort ab.

K1: Wo ist denn das?

Grauer verschwindet

K2 ruf: Grauer, kleiner Grauer, bleib doch noch!

Musik wird erst lauter, dann leiser, dabei wird es dunkel.

 

 

2. Teil

 

Es wird langsam wieder hell.

Ein König tritt auf mit seinem Gefolge

Graf: Wollt ihr Euch nicht vor dem König verneigen?

K1: Wo sind wir hier?

Graf: Verneigt euch!

Kinder verneigen sich.

König: Welch nette Kinder. Wo seid ihr her?

K1: Wir kommen aus Deutschland, aus Brochterbeck, Herr König.

Graf: Majestät heißt das!

Zum König: Entschuldigen Sie, das scheinen sehr ungebildete Kinder zu sein.

König: Lass er nur, lieber Graf. Aber Deutschland, Brochterbeck? Nie gehört, scheint ein unbedeutendes Land zu sein. Und Brochterbeck, ist das die Hauptstadt?

K2: Nein Majestät.

Graf: So ist es schon besser.

König: Kennt Ihr das Land, lieber Graf?

Graf: Nein Majestät, ich glaube, das Land gibt es überhaupt nicht.

König: Dann müssen wir den Hofnarren fragen.

Graf ruft: Hofnarr! Hofnarr!

Hoffnarr: Hier bin ich, Majestät.

König: Hofnarr, gibt es ein Land, das sich Deutschland nennt?

Hofnarr: Lasst mich nachdenken, Majestät. Deutschland, Deutschland, Ich glaube, ich glaube... Ich glaube, ich habe es mal geträumt.

König: O, er hat es geträumt.

K1: Wo sind wir denn hier eigentlich?

Graf: Wo ihr seid? Das wisst ihr nicht? Seid ihr so dumm oder habt ihr kein Gedächtnis mehr.

K2 empört: Wir sind nicht dumm!

König: Interessant, höchst interessant. Das ist ein Fall für den Hofzauberer.

Graf ruft: Hofzauberer! Hofzauberer!

Hofzauberer kommt.

Graf: Da, die beiden. Zauber ihnen wieder ihr Gedächtnis her. Sie scheinen es verloren zu haben.

Zauberer nähert sich den beiden und sieht sie durch ein Zauberglas an.

Zauberer: Majestät, die sind nicht echt.

K1: Was heißt hier, nicht echt? Du spinnst wohl!

K2: Du bist wohl nicht echt.

Zauberer streckt ihnen abwehrend die Hände entgegen:

Zauberer: Da hört ihr es: Diese beiden sind nicht echt, weil sie sagen, wir sind für sie nicht echt.

König: Was heißt das?

Zauberer: Die kommen nicht aus dieser Welt. Ein Zauberer hat sie hergeschickt.

Graf: Wo kommt Ihr her?

K1: Ihr glaubt es ja doch nicht. Wie heißt denn euer Land und wo sind wir denn hier? Kann uns das vielleicht jemand sagen? Oder träume ich?

Zauberer: Vielleicht seid ihr Spione?

Graf: Spione?

König: O, wie schrecklich: Spione.

Graf: Fesselt sie!

Die Kinder werden und auf einen Stuhl gebunden.

K1: Lasst uns los, verdammt noch mal!

K2: Wir müssen doch den Weg zur Mitte der Welt, den Weg zum Leben finden!

Zauberer: Den Weg zum Leben? Wie wollt ihr den denn finden?

K1: Wir wissen es noch nicht.

K1 fühlt nach dem Stein in der Tasche.

Zauberer: Was hast du da?

K1. Och - nur ein Stein.

Zauberer: Zeig ihn mir.

K1: zieht ihn aus der Hosentasche. Hier.

Zauberer: Gib ihn her. Ich will ihn haben!

K2 ruft: Nein, gib ihn den nicht! Wir kommen hier sonst nicht raus!

K1 reißt den Stein an sich.

Eine kleine graue Gestalt kommt.

Während die anderen wie erstarrt stehen bleiben, ruft sie ihnen zu:

Geht, sucht den Weg zur Mitte der Welt!

Er macht die Kinder frei.

Sie stehen auf, während die anderen immer noch so stehen bleiben, als wären sie aus Stein.

Es wird dunkel.

 

3. Teil

 

Als es wieder hell wird, befinden sich die Kinder in einem Wald.

K2: Wo sind wir? Ich fürchte mich so.

K1: Ich weiß es nicht - Still, da ist jemand.

Tiere kommen aus den Büschen.

K2: Tiere. Da, kleine Hasen.

Hase: Was macht ihr denn hier?

K2: Ich kann dich ja verstehen.

Hase: Natürlich, alle können sich doch verstehen.

Wildschwein: Was seid ihr denn für Tiere? So etwas wie euch habe ich hier noch nie gesehen.

K1: Wir sind doch keine Tiere!

K2: Wir sind Menschen.

Wildschwein: Menschen? Von der Sorte Tiere habe ich noch nie etwas gehört.

Hase: Du kannst ja nicht alles wissen, Wildschwein.

Wildschwein: Doch, Hase, ich bin sehr klug.

Hase: Hört nicht auf ihn, er gibt manchmal ein bisschen an.

K1: Aber wo sind wir denn? Und wie kommen wir hierher.

K2 : Gerade eben waren wir noch in einem Schloss.

K1: Und davor in einem Kirchturm.

Igel: Wie Ihr hierher kommt, ist unwichtig. Wichtig ist nur, wohin Ihr wollt.

K1: Wir sind auf dem Weg zur Mitte der Welt.

Hase: Das soll ein weiter, sehr weiter Weg sein, haben wir in der Schule gelernt. Viel zu weit für ein Leben.

Wildschwein: Wo ist das denn?

K2: Wir wissen es nicht.

Hase: Den Weg zur Mitte der Welt? Das kann eigentlich nur der Maulwurf wissen, oder die Eule, die sind nämlich sehr klug.

K1: Und wo finden wie den Maulwurf oder die Eule?

Hase: Wir rufen sie.

Alle: Eule, Eule.

Eule kommt:

Wer ruft mich?

Alle: Wir rufen Dich.

Igel: Hier ist jemand, der deine Hilfe braucht.

K1: Wir sind auf der Suche nach der Mitte der Welt. Kennst du den Weg dort hin?

Eule: Den Weg zur Mitte der Welt? über legt... Nein, nein, bestimmt nicht.

K2: Aber wer kennt ihn denn?

Eule: Ich weiß es nicht. Vielleicht der Maulwurf?

K1: Dann müssen wir ihn fragen. - Müssen wir ihn auch rufen?

Eule: Nein, in der Erde hört er nicht. Ihr müsst klopfen.

K2: Klopfen?

Eule: Klopft auf den Boden.

Alle klopfen.

Maulwurf kommt:

Maulwurf: Wer ruft mich?

K1: Kannst du uns helfen?

K2: Wir suchen den Weg zur Mitte der Welt.

Maulwurf: Nichts leichter als das. Ihr müsst euch ganz klein machen und in die Tiefe graben.

K1: Klein machen und in die Tiefe graben? Das können wir nicht.

K2: Gibt es denn keinen anderen Weg?

Maulwurf: Vielleicht, ihr müsst nach rechts gehen, nein, nach links, glaube ich. Und dann durch die Höhle, oder nein, irgendwo am See lang

Eule: Maulwurf, Maulwurf, du weißt wirklich nicht, wo es lang geht?

K1. Aber wer weiß das denn?

Plötzlich kommt eine kleine graue Gestalt aus den Büschen und winkt:

Grauer: Kommt, ihr zeige Euch den Weg zur Mitte des Lebens.

K1: Da ist der kleine Graue!

K2: Kleiner Grauer, bleib doch bei uns!

Die Kinder verlassen die Tiere. Es wird wieder dunkel.

 

4. Teil

 

Die Kinder gehen durch ein Dorf. Sie fragen die Leute:

K1 und K2 abwechselnd:

Kennt ihr den Weg zur Mitte der Welt, den Weg zum Leben?

Alle antworten:

Nein, den Weg kennen wir nicht.

Schließlich begegnen sie einem alten Mann:

K1. Kennen Sie vielleicht den Weg zur Mitte der Welt, den Weg zum Leben?

Alter Mann: Den Weg zur Mitte der Welt?

Den Weg zum Leben? - Wartet. Ja, ich erinnere mich. - Mein Großvater hat einmal gesagt:

Zwei Kinder werden kommen und nach diesem Weg fragen. Ich soll ihn den zeigen.

K2: Das hat Ihr Großvater gesagt?

Alter Mann: Aber das ist schon sehr, sehr

lange her. - Warum seid Ihr jetzt erst gekommen?

K1: Wieso so spät? Wir haben den Stein eben erst gefunden. Aber wo geht der Weg lang?

Alter Mann: Wartet, ich muss mich erst

erinnern. - Ja da lang geht es.

Er zeigt in eine Richtung.

Aber dorthin ist noch niemals jemand gegangen. - Eigenartig.

K1 und K2: Danke alter Mann, danke.

Die Kinder gehen in die Richtung.

 

5. Teil

 

Krippe mit Maria und Joseph und dem Kind, Engel, eventuell auch Hirten.

K1: Schau mal, da ist ja ein Stall.

Sie kommen näher

K2 Und Menschen - und eine Krippe -und ein Baby.

Sie gehen zur Krippe

K2: Wie schön es ist!

K1: Wie es aus seinen Augen leuchtet, als ob hier die Mitte der Welt ist.

Joseph: Mitte der Welt, sagtest du?

K2. Ja, Mitte der Welt und der Weg zum Leben. Aber wie heißt das Baby?

Maria: Jesus heißt er.

K1 überrascht: Dann seid Ihr, dann sind Sie Maria und Joseph?

Joseph: Ja. Woher wisst Ihr das?

K2: Wir haben davon gehört.

Maria: Ihr habt einen weiten Weg, wollt Ihr Euch nicht ausruhen?

K1: Ja, aber erst sollen wir ein Geschenk abgeben: Einen Stein.

Er holt den Stein aus der Hosentasche und wickelt ihn aus.

K2: Engel, ich sehe ja Engel!

K1: Ja, schau, wie es überall leuchtet.

Maria: Er leuchtet, er leuchtet wie ein wunderschöner Edelstein.

Danke Kinder.

K1 gibt ihn Maria.

Maria: Sieht ihn lange an, gibt ihn dann Joseph.

Maria: Legt Euch hin, Kinder, Ihr werdet müde sein.

Die Kinder beugen sich noch einmal zur Krippe und legen sich dann zum Schlafen nieder.

Es wird dunkel.

 

 

6. Teil

 

Als es wieder hell wird, stehen die Kinder wie am Anfang im Turm.

Man hört draußen rufen:

Petra, Dennis, wo seid ihr, kommt raus, wir haben keine Lust mehr!

K1: Ich glaube, ich habe eben geträumt.

K2: Von dem Stein?

K1: Du auch?

Sieht an sich herunter:

K1 überrascht:

Stroh, da ist ja Stroh!

K2: Wie bei der Krippe.

K1: Das gibt es doch gar nicht.

K2: Ja, wir waren wirklich da, mit dem Stein, der uns den Weg zum Leben, zur Mitte der Welt gezeigt hat.

Vorhang

 

 

 

 

 

Die Glockengeister

 

Ihr müsst wissen, dass in jedem Kirchturm, ja, überall da, wo eine Glocke schwingt und klingt, ein Glockengeist zu Hause ist.

Glockengeister sind sehr alte Geister, noch älter als die Glocken selbst und stammen aus grauer Vorzeit, aus der Zeit, bevor es überhaupt Menschen gab.

Aber als die Glocken erfunden wurden, zogen die Geister in die Glockentürme, und weil sie sich da besonders wohl fühlen, sind sie aus Dankbarkeit sehr gute Freunde der Menschen geworden.

Wenn ihr ganz still seid und hinhorcht, während die Glocken einer Kirche ihr Lied schwingen, werdet ihr sie spüren.

Sie sind meist unsichtbar, darum könnt ihr sie auch nicht sehen, wenn ihr auf einen Kirchturm klettert und nachschaut.

Aber die Glockengeister wirken, so weit, wie der Schall ihrer Glocken zu hören ist und oft weit darüber hinaus.

Wenn ihr zum Gottesdienst geht und die Glocken läuten, dann spürt ihr die Glockengeister und ihre Kraft:

Euer Herz wird viel ruhiger und friedlicher, und die Schwingungen der Glocken lassen euch froher werden.

Natürlich unterhalten sich die Glocken- geister der verschiedenen Kirchtürme untereinander und besuchen sich wie gute Bekannte oder gar Freunde, nicht nur in einer Stadt, sondern auch tief ins Land hinein.

Was sie dann machen?

Nun, Tee werden sie nicht trinken wie du und ich, aber sie tauschen ihre Erfahrungen mit den Menschen aus und erzählen sich, was sie so miteinander erlebt haben.

Und weil ich ein Dichter bin und hin und wieder Gedichte und Geschichten auf- schreibe, haben mir die Glockengeister die- se Geschichte erzählt.

 

 

Fiete Krummholz

 

In der Fußgängerstraße drängten sich die Menschen. Am späten Nachmittag zur Adventszeit war es voller als sonst. Jeder wollte seine Einkäufe machen:

Weihnachtsgeschenke um Weihnachtsgeschenke, am liebsten so viel und so reichlich, dass es schon gar keine Berührung mehr zu dem Kind in der Krippe gab.

Vielleicht wussten die wenigsten noch von diesem Kind, obwohl es aus allen Lautsprechern dröhnte:

„Stille Nacht, heilige Nacht", „Ihr Kinder- lein kommet" und noch anderes.

Fiete Krummholz hielt sich vor dem Schmuckgeschäft auf. Hier, neben dem Eingang zum Kaufhaus war das Gedränge besonders groß.

Fiete Krummholz suchte das Gedränge, schließlich war es sein Beruf, oder besser, er hatte mit seinem wichtigsten Hobby Hochsaison.

Er war Taschendieb.

Er sah sich um.

Hausfrauen, dick beladen. Das brachte nichts. Die hatten fast alles Geld ausgegeben.

Da, ein älterer Herr. Für einen Rentner sah er zu gut gekleidet aus, eher ein Geschäftsmann.

Er blieb vor den Auslagen des Juwelierladens stehen, sah hinein und nickte.

Er hatte entdeckt, was er brauchen konnte.

Fiete Krummholz ließ sich näher an ihn heran treiben.

„Das lohnt sich", dachte er.

Und ehe der Geschäftsmann die Tür des Juweliers erreichte, hatte Fiete Krummholz schon die Brieftasche des Mannes aus dem Mantel gezogen.

Er ließ sich weitertreiben. Niemand hatte etwas gesehen.

In dem dunklen, ruhigen Schmuggelpättken suchte er einen Hauseingang und schaute nach:

Ausweis: Dr. August Hochmann. Ach, der Fabrikchef draußen im Industriegebiet.

Schecks, aber keine Scheckkarte.

Führerschein, Moment, ein anderer Vorname: Rolf Hochmann, sein Sohn vielleicht?

Fuhr er mit dessen Führerschein?

Und Geld: Fünftausendsechshundert!

Noch so ein par Kunden, und er konnte beruhigt Weihnachten feiern und hinterher Urlaub machen.

Die große Glocke der Pfarrkirche schlug sechs Uhr: Wie gut, dass die Geschäfte länger aufhatten.

Fiete Krummholz ging wieder zur Hauptstraße zurück.

„Die Glocke", dachte er.

Und er erinnerte sich an das Weihnachtsfest, als er ein Kind gewesen war, an seine verweinte Mutter, die kein Geld hatte, um den Kindern etwas zu kaufen und die sie auch nicht satt bekam.

An den Hunger dachte er, der ihn damals quälte.

Die Glocke schwang weiter.

Der Glockengeist der Pfarrkirche blickte auf das Gewimmel der Menschen hinunter. Er spürte sich in ihre Gedanken und Gefühle hinein.

Auch in die von Fiete Krummholz.

Aber auch in die von Anna Meyer.

Anna Meyer hatte es nicht leicht gehabt.

Zuerst war etwas mit seiner Lunge gewesen, dann wurde ihr Mann arbeitslos und vor zwei Jahren starb er.

Für eine ausreichende Rente war er zu jung. Und sie hatte drei Kinder und das Haus, das sie sich angespart hatten.

Es steckte voller Schulden, aber immerhin waren die Raten etwas kleiner, als die Miete - und es war ihr eigenes und vielleicht später das der Kinder.

Sie war mit der Jüngsten beim Arzt gewesen und musste durch die Einkaufsstraße entlang zum Busbahnhof gehen.

„Mama", fragte die Kleine, „schenkst du uns was zu Weihnachten?"

„Sei nicht so neugierig", antwortete die Mutter und dachte daran, dass wieder die Rate für das Haus fällig wurde. Für mehr würde es kaum reichen.

Vielleicht hatte sie nicht einmal genug zum Essen.

Tränen traten in ihre Augen.

Der Glockengeist sah dies alles, und seine Schwingungen erreichten Fiete Krummholz.

Und Fiete Krummholz sah die Frau und das Kind, und er sah die Tränen in den Augen der Mutter.

Er hörte die Glocken, und die Glocken schienen zu rufen:

„Gib es ihr! Gib es ihr!"

Und ehe er es gewahr wurde, griff Fiete Krummholz nach dem Bündel Geldscheine, drängte sich an die Mutter heran und sagte:

„Hier, für dich und die Kinder", und dann verschwand er wieder in der Menge.

Anna Meyer verstand nicht, was der Mann sagte, der gleich darauf wieder verschwand.

Erst zu Hause entdeckte sie, was sich in ihrer Jackentasche befand.

Aber der Glockengeist flüsterte ihr mit dem Sieben-Uhr-Läuten ins Ohr:

„Das ist für dich. Behalte es. Du kannst es doch niemandem zurückgeben."

Anna Meyer hat wohl noch niemals ein solch seltsames Weihnachtsgeschenk bekommen.

Und als sie am Heiligen Abend mit ihren Kindern die Kirche betrat, begrüßten sie die Glocken und der unsichtbare Glockengeist wie eine alte Bekannte, obwohl sie wirklich keine gute Kirchgängerin war.

Der Glockengeist kicherte:

„So ein überraschtes Gesicht wie an dem Abend habe ich selten gesehen."

Und wenn ihr nun denkst, das ist eine sehr unmoralische Geschichte, dann muss ich euch sagen, dass die Glockengeister unter Moral etwas ganz anderes verstehen als wir und dass sie bei dem, was sie tun, sogar Spaß haben.

 

 

Das rote Pferd

 

Arthur Schoppenbrecht mochte keine Kinder.

Vielleicht lag es daran, dass er Junggeselle war oder jedenfalls allein lebte.

Er lebte schon so lange allein, dass er gar nicht mehr wusste, ob er damals, als er noch sehr jung war, geheiratet hatte oder nicht.

So etwas soll vorkommen.

Jedenfalls lebte er allein. Und weil er als Steuerberater genug verdiente, konnte er auch angenehm leben.

„Kinder", sagte er oft zu sich, „sind überflüssig. Höchstens gut zum Absetzen, steuermindernd. Aber sonst? Und die Zukunft? Wer weiß, ob es überhaupt eine Zukunft auf unserem Planeten gibt. Da sind sowieso zu viel Menschen. Die Blagen machen nur Lärm und Unordnung."

Er hatte da seine Erfahrungen. Sein Haus war eigentlich für eine Familie gebaut und lag in einer Straße, in der es viele Familien mit vielen Kindern gab. Sie machten nur Lärm, wenn er seine Mittagsruhe haben wollte, beinahe so viel, wie die Glocken der nahen Kirche.

Kinder spielten auf der Straße Fußball, wenn er wegfahren wollte, ließen Fahrräder auf seinem Parkplatz liegen, und ihre Hunde bellten und machten Dreck.

Einmal hätte er beinahe einen von diesen kleinen Jungen überfahren.

Er war froh, keine Kinder zu haben.

Er war froh, überhaupt allein zu sein.

Mochten die anderen auch denken, er sei ein alter Griesgram.

Ihn kümmerte es nicht.

Es war ein später Nachmittag in der Adventszeit, und die Menschen drängten sich in den Straßen.

Arthur Schoppenbrecht war noch bei einem Kunden gewesen. Es gab einige verzwickte Steuerdinge zu klären, Abschreibungen, die, so mögen manche sagen, vielleicht nicht ganz legal waren aber auch nicht gerade illegal. Auf jeden Fall sparten sie eine Menge Geld und brachten Arthur Schoppenbrecht zusätzlich einige Honorare.

Der Glockengeist der alten Pfarrkirche achtete auf die Menschen, die sich durch die Straßen schoben.

Und dann spürte er ein Wesen auf, das sich ganz abgekapselt hatte. Es drängte sich durch die vielen Leute, und es schien, als sei dieser Mensch mit einer dicken Haut aus „ich-denke-nur-an-mich" bekleidet.

„Der arme Kerl", dachte der Glockengeist. „Wie einsam muss so einer sein, der nur an sich selbst denkt und der für keinen anderen etwas übrig hat."

Arthur Schoppenbrecht schob sich, einen Ellenbogen voran, an den Menschen vorbei, die mit ihren Einkaufspaketen und Tüten die Straßen noch enger machten.

„Viel zu viele", dachte er bei sich.

In Gedanken war er schon in seinem einsamen, gemütlichen Haus und überlegte, welche Flasche Wein er am Abend trinken würde.

Und dann trat er auf etwas Hartes.

Er schaute nach unten:

Ein Spielzeug, ein kleines rotes Holzpferd lag da, etwas größer als seine Hand.

Zuerst wollte er es mit dem Fuß wegstoßen.

Aber dann bückte er sich, hob es auf und steckte es ein.

Warum, er wusste es auch nicht, vielleicht, weil der Drang, etwas zu sammeln, was man noch irgendwie gebrauchen konnte, noch nicht verkümmert war,

oder, weil der Glockengeist für einen winzigen Augenblick durch den dicken Panzer von „ich-denke-nur-an-mich" durchgedrungen war.

„Nimm es mit", flüsterte der Glockengeist. „Vielleicht wirst du dann wieder ein Mensch."

Aber das konnte Arthur Schoppenbrecht nicht hören.

„Halt, mein Pferdchen", ertönte hinter ihm eine Jungenstimme.

Er achtete nicht auf die Worte.

„Kinder", dache er. „Warum müssen die auch alles herumliegen lassen?"

Und dann wuchs das Gedränge so an, dass er weiter geschoben wurde.

Zu Hause stellte er seine Mappe mit den Unterlagen im Flur ab, hängte seinen Mantel an die Garderobe und begab sich in die Küche.

Das Holzpferd hatte er schon ganz vergessen.

Als sein Abendbrot in der Pfanne brutzelte, schellte die Haustürklingel.

„Wer kommt noch so spät" fragte er sich und öffnete die Tür.

Ein kleiner Junge stand da, blond, blauer Anorak und eine verfrorene Nase.

„Hast du noch Carlos", fragte der Junge.

„Carlos?"

„Mein Pferd, Carlos. Du hast es doch aufgehoben, oder nicht?"

Die Augen füllten sich mit Tränen.

„Es ist heruntergefallen. Da waren so viele Leute."

„Carlos", fragte der Mann. „Carlos, ja, warte, ich habe ihn im Mantel."

Der Junge atmete auf.

„Komm rein, es wird kalt."

Der Mann ging zur Garderobe und griff in die Manteltasche.

Das Holzpferdchen war noch da.

„Hier ist es."

„Danke", sagte der Junge und nahm das Pferd.

„O, es ist verletzt, es hat sich ein Bein gebrochen."

Wieder füllten Tränen die Augen.

„Hast du Pflaster oder irgendetwas?"

Arthur Schoppenbrecht schüttelte seinen Kopf.

„Pflaster? Leim? Ich muss mal sehen."

Der Junge streichelte das Pferd.

„Komm in die Küche, Junge", sagte der Mann. „Vielleicht finde ich Leim oder Pflaster."

Der Junge folgte ihm.

„Woher weißt du denn, dass ich deinen Carlos habe", fragte der Mann.

„Ich habe gesehen, wie du ihn aufgehoben hast, aber es waren so viele Menschen dort."

„Und wie hast du mich gefunden?"

„Ich wohne doch auch hier, gleich das nächste Haus."

Arthur Schoppenbrecht schüttelte seinen Kopf. Wie konnte man sich merken, wo es welche Kinder gab?

Dann fand er eine Tube mit Klebstoff.

„Lass uns mal versuchen", sagte er.

Der Junge schaute neugierig zu.

„Mein Opa konnte auch alles", sagte er. „Aber jetzt ist er tot."

Und dann, nach langem Zögern:

„Willst du nicht mein neuer Opa werden", und er schaute den Mann so an, als ob ihm alles daran läge, dass er zusagte.

Arthur Schoppenbrecht wollte schon sagen, dass das nicht ginge und dass er überhaupt nichts von Kindern hielte und schon gar nichts von kleinen Jungen, die ihr Spielzeug verlieren.

Aber dann hörte er den Klang der dunklen vollen Glocke.

Er hörte diesen Klang tief in seinem Inneren, und das Bild seines eigenen Großvaters entstand vor ihm, wie er in der Werkstatt im Stall stand und sein, Arthur Schopenbrechts Spielzeug leimte.

Ihm wurde warm ums Herz, und er hörte sich sagen:

„Ja, ich will dein neuer Opa sein. Wie heißt du eigentlich?"

„Kai", sagte der Junge, „Kai Müller."

Und dann kletterte der Junge auf einen Stuhl und gab seinem neuen Opa einen Kuss.

„Danke, Opa", sagte er. „Jetzt wird Carlos bald wieder gesund werden."

„Du musst jetzt nach Hause", sagte der Mann. „Aber morgen komme ich vorbei und erkundige mich, wie es Carlos geht."

So geht es manchmal im Leben zu.

Aus dem Umhang, der aus dem Stoff „ich-denke-nur-an-mich" gemacht ist, kann plötzlich ein „ich-repariere-auch-rote-Pfer- de" werden, besonders dann, wenn einer der Glockengeister seine Hand im Spiel hat.

 

 

 

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann

 

Ihr müsst wissen, dass ein Weihnachtsmann alleine für die ganze Welt zu wenig ist und dass deshalb jedes Land seinen eigenen hat. Und weil auch ein Weihnachtsmann nach langer, langer Zeit einmal alt wird, muss es junge Weihnachtsmänner geben, die in einer Weihnachtsmannschule, die sie im Sommer besuchen, so manches lernen und die das Jahr über die Menschen beobachten, und die sich dabei ganz klein und unsichtbar machen können.

Vielleicht hat in diesem Jahr einer auf deiner Lampe gesessen, und er hat zugeschaut, was du so machst.

Und manchmal darf er auch selbständig kleine Dinge regeln, so wie zum Beispiel....

Aber davon will ich gleich erzählen.

Ja, und beinahe hätte ich es vergessen, jeder Weihnachtsmann hat seinen Namen, der mir entfallen ist, weil er so lang ist, und er hat seine Nummer, mit der er und seine Berichte im großen Buch des Oberweihnachtsmannes verzeichnet sind.

Der Weihnachtsmann unseres Landes hat die Nummer 5 und er hat mir verraten, dass sein Lehrling, der kleine Weihnachtsmann, die Nummer fünfeinhalb hat.

Und von diesem fünfeinhalbten Weihnachtsmann möchte ich heute erzählen.

 

 

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann auf dem Dickenberg.

 

Oben, auf dem Dickenberg steht das Haus Nummer 26.

Dort wohnen im 4. Stock Ali aus Ankara, mit seinem Vater und seiner Mutter und seinen zwei kleinen Schwestern.

Heute noch sollte es nach Hause gehen, nach Ankara zum Großvater und den Brüdern des Vaters.

Jetzt war Weihnachten, und die Firma, in der Alis Vater arbeitete, machte Weihnachtsferien.

Es war Abend geworden, „Heiliger Abend" nennen ihn die Christen.

Das Auto war gepackt, die Wohnung wirkte leer und aufgeräumt.

Sie stiegen die Treppen herunter, setzten sich in das Auto.

Gleich sollte die lange Fahrt beginnen.

Der Vater steckte den Schlüssel in den Anlasser, drehte ihn herum.

Nichts.

Er versuchte es noch einmal.

Der Motor spuckte, knatterte und dann Stille.

Alis Vater stieg aus.

Er öffnete die Motorhaube.

Er holte eine Taschenlampe aus dem Auto.

Und dann sah er, dass der Motor kaputt war.

Öl lief auf die Straße.

„Wir müssen hier bleiben", sagte er. „Der Motor ist kaputt."

„Und morgen?" fragte Ali?

„Morgen ist hier Weihnachten und übermorgen auch. Und außerdem, ein neuer Motor, das Geld haben wir nicht.

Vielleicht ein anderes gebrauchtes Auto. Aber das bekommen wir nicht so schnell. Nein, wir müssen hier bleiben."

Die beiden Mädchen begannen zu weinen.

Ali kämpfte mit den Tränen.

Sie stiegen aus.

Jeder nahm etwas Gepäck mit nach oben in die kalte und leer wirkende Wohnung.

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann hatte das alles gesehen.

Und er hatte den Schmerz des Vaters gespürt, der seinen Kindern die Reise nicht geben konnte.

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann fühlte auch die Traurigkeit der Frau und die Enttäuschung der Kinder.

„Was soll ich nur tun", dachte er.

„Ein neues Auto? Das kann ich nicht bekommen."

Er dachte nach.

Und dann fiel ihm ein, was er vor langer Zeit einmal in der Weihnachtsmannschule gelernt hatte.

Ein junger Weihnachtsmann kann Technik wachsen lassen, wie die Natur eine Blume.

Er hatte es nur noch niemals ausprobiert.

Ob es hier klappte?

Er schwebte hinunter zu dem Auto.

Er legte die Hand auf die Motorhaube, stricht langsam über das Blech.

Und wie er über das Blech stricht, merkte er, wie die alte Farbe glatter wurde.

Und im Licht der Laterne sah er, wie das Auto immer mehr zu leuchten begann, so, als ob es von innen heraus glühte.

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann merkte, dass etwas aus ihm heraus floss, hin zum Auto, eine ganz starke Kraft.

Und unter seiner Hand, die jetzt auf der Motorhaube ruhte, erholte sich der Motor.

Er wurde jünger und jünger, so, als ob er gerade aus der Fabrik käme.

Und dabei wurde er besser und besser, so, als ob er weiter wüchse, stärker wurde,

oder so, als ob das Auto nicht schon fünfzehn Jahre alt wäre, sondern als ob es erst in fünf oder zehn oder zwanzig Jahren gebaut werden würde.

Ali und seine Eltern saßen oben in der Wohnung.

„Ich hole noch die Koffer", sagte Alis Vater.

Und dann stieg er die Treppen herunter, müde und mit einer Wut im Bauch auf das verdammte Auto, das gerade jetzt zu Weihnachten kaputt gehen musste.

Er schloss den Kofferraum auf, hob zwei Koffer heraus.

Aber dann stutzte er:

Das war doch nicht sein Auto.

Seins war alt, der Lack zeigte Rostflecken, aber dies hier glänzte, roch ganz neu, so, als ob es gerade aus der Fabrik käme.

Aber es waren seine Koffer, die alten Koffer, die er vor der Ausreise in Ankara gekauft hatte.

Und auch das Nummernschild stimmte.

Aber sonst war alles neu.

Er fürchtete sich.

War das Zauberei?

Da flüsterte ihm der fünfeinhalbe Weihnachtsmann ins Ohr:

„Hab keine Angst. Das ist mein Weihnachtsgeschenk für dich."

Und Alis Vater, obwohl er es nicht mit den Ohren hören konnte, hörte es mit dem Herzen.

Und dann ließ er die Koffer einfach stehen.

Stürmte die Treppe herauf.

Er rief seine Frau, Ali lief hinterher und sie standen staunend vor dem alten neuen Auto.

Alis Vater setzte sich ans Steuer, ließ den Motor an: ein sattes, tiefes und leises Brummen war zu hören, ganz anders als bei anderen neuen Autos.

Und dann holten sie die beiden Mädchen,

packten wieder ein, was sie nach oben getragen hatten.

Und wenig später ging die Fahrt los.

Keiner aus der Familie hatte dies Wunder verstanden.

Aber Weihnachten, dachten sie, da soll es ja Wunder geben.

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann freute sich, dass Ali und seine Familie Weihnachten nun doch beim Großvater sein konnten.

Nur der fünfte Weihnachtsmann war nicht einverstanden mit dem, was der fünfeinhalbte getan hatte:

„Du kannst doch nicht Autoteile wachsen lassen, die es gar nicht gibt, weil die Menschen sie noch nicht erfunden haben", sagte er.

Manchmal sind auch große Weihnachtsmänner wie Erwachsene und gönnen den kleinen Weihnachtsmännern nicht die Freude, die sie anderen machen.

 

 

Der Bürgermeister, der Stadtkämmerer und der Herr Fleischer.

 

Manchmal ist der fünfeinhalbte Weihnachtsmann auch in der kleinen Stadt Tecklenburg.

Er bekam die Sorgen mit, die der Bürgermeister und der Stadtkämmerer oben auf dem Berge im Rasthaus hatten. Das Geld reichte nicht.

Eigentlich musste die Grundschule in Brochterbeck neue Fenster und eine neue Heizung haben, damit die Kinder im Musikraum nicht so froren. In Tecklenburg selbst sollte an der Bushaltestelle dringend eine Straße verbreitert werden, in Ledde wollte man die Dorfstraße enger bauen, so, dass die Autofahrer da nicht so durchrasten und in Leeden....

Jeder Teil der kleinen Stadt hatte seine eigenen Wünsche: Wichtige und sehr wichtige. Aber für alle war das Geld zu knapp.

Tecklenburg ist eine sehr arme kleine Stadt.

Und deshalb saßen der Bürgermeister und sein Stadtkämmerer abends oft lange im Rathaus und grübelten, wie sie das Geld nur verteilen konnten.

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann hörte sich die Sorgen an.

„Wenn ich da nur helfen könnte", dachte er. „Aber ich kann doch keine Goldquelle im Rathaus einbauen."

Dann hatte er eine Idee.

Unten, im Sonnenwinkel, an der Straße nach Lengerich hatte er oft zugesehen, wenn Kinder auf der Wiese eines Kinderheimes Fußball spielten. Am liebsten hätte er mitgespielt.

Aber ein fünfeinhalbter Weihnachtsmann, der Fußball spielt? Unvorstellbar.

Wie wäre es, wenn es dort eine Quelle gäbe, eine Quelle mit richtigem Wasser, ganz aus der Tiefe, das die Menschen trinken konnten?

Dann könnte die Stadt ein Kurhaus und eine Wasserfabrik bauen und sie könnte all die Schulen und die Straßen und noch viel mehr reparieren.

Und der fünfeinhalbte Weihnachtsmann dachte:

„Vielleicht können sie das Wasser dann Sonnenwasser nennen."

Und ihm fiel auch gleich ein Werbespruch ein:

„Im Winter und in Sommerhitze:

Sonnenwasser, das ist Spitze!"

Und auf dem Etikett könnte man die alte Burg von Tecklenburg sehen und dahinter eine Flasche und darunter der Spruch:

„Im Winter und in Sommerhitze:

Sonnenwasser, das ist Spitze!"

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann geriet richtig ins Schwärmen.

Doch dann ging er an die Arbeit:

Er holte einen Spaten und grub ein Loch.

Und wenn ein fünfeinhalbter Weihnachtsmann gräbt, dann kommt auch etwas heraus.

Und richtig: Nach kurzer Zeit sammelte sich in dem Loch Wasser und dann schoss sprudelnd eine Fontäne 20 Meter hoch aus dem Boden.

Die Leute aus dem Kinderheim dachten, dass da ein Wasserrohr geplatzt sei.

Sie riefen die Feuerwehr. Aber da gab es kein Wasserrohr und die Feuerwehr fuhr wieder ab.

Und schließlich kam der Apotheker, der da ganz oben auf dem Berg neben der Post seine Apotheke hatte auf die Idee, das Wasser zu untersuchen.

Und siehe da: Es war richtiges, gesundes, gut schmeckendes Mineralwasser.

Ganz aufgeregt war er.

Er lief zum Bürgermeister und erzählte ihm, was er entdeckt hatte.

Und der Bürgermeister war begeistert und rief den Stadtkämmerer und alle drei liefen hinunter zur Quelle.

Sie sprudelte immer noch.

„Wir können da eine Fabrik bauen und das Wasser verkaufen, und dann können wir in Tecklenburg ein Kurhaus bauen und werden ein richtiger Kurort", rief der Bürgermeister begeistert aus.

Aber dann fiel dem Kämmerer ein:

„Die Wiese gehört ja gar nicht uns. Sie gehört leider zum Kinderheim."

Daran hatte nun der fünfeinhalbte Weihnachtsmann auch nicht gedacht, aber auch nicht daran, dass das, was tief in der Erde kommt, nicht dem gehört, der die Wiese besitzt.

Herr Fleischer war der Chef des Kinderheimes. Er war auch der Chef von vielen Krankenschwestern, die im Tecklenburger Land umherfuhren, um Kranken zu helfen, die zu Hause lagen.

Auch er hatte Sorgen.

Denn es gab viele Menschen, die nicht so viel bezahlen konnten, wie eine Krankenschwester eigentlich kostete.

Woher sollte er nur das Geld nehmen?

Und gleichzeitig würde er gerne noch mehr Krankenschwestern anstellen, die denen helfen, die es auch nötig hatten.

Aber dazu reichte das Geld erst recht nicht.

Auch er hatte schon ganz graue Haare vor lauter Sorgen.

Als er von der Quelle erfuhr, dachte er zuerst an den Bolzplatz, der jetzt ganz nass war.

Und dann dachte er daran, dass er mit dem Wasser ja gar nichts anfangen durfte, weil es tief aus der Erde sprudelte

Und dann meldete sich der Bürgermeister bei ihm an:

„Herr Fleischer", sagte er, „wir können zusammen ein gutes Geschäft machen:

Sie geben mir die Erlaubnis, auf der Wiese eine Fabrik zu bauen und ich gebe Ihnen einen anderen Bolzplatz und lasse Ihnen die Hälfte von dem, was wir verdienen. Einverstanden?"

Natürlich war Herr Fleischer einverstanden.

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann saß oben auf der Lampe und hört zu, was die beiden verhandelten.

„Wie nennen wir denn unsere Quelle", fragte der Bürgermeister, als sie sich einig waren.

Da flüsterte der fünfeinhalbte Weihnachtsmann den beiden ins Ohr:

„Nennt sie Sonnenwasserquelle."

Wie aus einem Munde wiederholten die beiden Erwachsenen, was sie gehört hatten:

„Sonnenwasserquelle" sagten sie gleichzeitig und lachten, weil sie dachten, jeder hätte selbst den Einfall gehabt.

Und der fünfeinhalbte Weihnachtsmann flüsterte Herrn Fleischer ins Ohr:

„Im Winter und in Sommerhitze:

Sonnenwasser, das ist Spitze!"

und laut sagte Herr Fleischer:

„Im Winter und in Sommerhitze:

Sonnenwasser, das ist Spitze!"

Der Bürgermeister antwortete:

„Das ist aber ein sehr guter Spruch. Sie sind ein richtiger Dichter, Herr Fleischer."

Und dann wiederholte er, was der fünf- einhalbte Weihnachtsmann ihm ins Ohr geflüstert hatte: „Und auf der Flasche ist ein Etikett mit der Burg von Tecklenburg und dahinter sieht man das Bild von einer Flasche und darunter steht Ihr Spruch, Herr Fleischer."

Und jetzt sagte Herr Fleischer:

„Das ist aber eine sehr gute Idee, Herr Bürgermeister."

Diesmal hatte der fünfte Weihnachtsmann den fünfeinhalbten gelobt.

„Das hast du gut gemacht. So hast du mehreren geholfen und sie haben gedacht, sie hätten sich alles selbst ausgedacht."

 

 

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann und der Schnee.

 

Als der Wetterbericht wieder verkündigte, dass es Weihnachten keinen Schnee geben würde, weil es dazu zu warm sei, waren nicht nur die Kinder traurig.

„Wir können dann überhaupt keine Schneemänner bauen und Schlittenfahren", jammerte Sven aus der Dorfstraße.

Und einige Erwachsene sagten: „Wieder mal ein Weihnachtsfest ohne Schnee. Wie war das doch früher schön, als wir im Schnee zur Kirche gingen."

Nur ein paar Väter freuten sich und dachten:

„Dann können wir wenigstens ohne Schneematsch und Glatteis zur Arbeit fahren", obwohl sie Weihnachten gar nicht arbeiteten.

Und insgeheim sagten sie sich:

„Dann brauchen wir mit den Kindern auch nicht Schlittenfahren und können einen längeren Mittagsschlaf machen."

So bequem sind Erwachsene manchmal.

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann hörte alle diese Gedanken und dachte an die traurigen Kinder.

Und dann sagte er sich:

„Ich werden den Nordwind bitten, ob er nicht wenigstens Weihnachten Schnee brin- gen kann."

Als der Südwind kam, bat ihn der fünfeinhalbte Weihnachtsmann:

„Bringe mich doch nach Norden, zum Nordwind. Ich will ihn fragen, ob er Weihnachten nicht Schnee bringen kann."

Der Südwind war nicht sehr begeistert.

„Meinst du nicht, dass die Leute unter meiner Herrschaft glücklicher sind", fragte der Südwind.

„Im Sommer schon", antwortete der fünfeinhalbte Weihnachtsmann.

„Aber denke doch an die vielen Kinder und an die Erwachsenen, die im Herzen noch Kinder sind. Die wünschen sich Schnee. Du kannst ihn hinterher ja wieder wegtauen."

Damit war der Südwind einverstanden.

Der Nordwind wohnte in einer kleinen Eishütte ganz oben am Nordpol.

Als der Südwind den fünfeinhalbten Weihnachtsmann ganz nach Norden gebracht hatte, war der Weg noch weit.

„Bis an den Nordpol kann ich nicht wehen", sagte der Südwind.

„Vielleicht findest du ein Rentier oder einen Seehund, der dich mitnimmt."

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann sah sich um.

Weit und breit war kein Rentier zu sehen.

Er suchte nach einem Seehund.

Aber er entdeckte auch keinen Seehund.

Da hörte er einen Eisbär.

Der Eisbär grummelte:

„Was ist das bloß für ein scheußliches Wetter. Mir kam es vor, als ob der Südwind wehte. Es ist doch noch lange kein Frühling. Ich glaube, ich muss weiter nach Norden."

„Du kommst mir gerade recht", sagte der fünfeinhalbte Weihnachtsmann. „Nimm mich mit zum Nordwind."

„Endlich einer, der die Kälte liebt", brummte der Eisbär. „Halte dich an meinem Fell fest."

Und dann rannte der Eisbär los, hüpfte von Scholle zu Scholle, immer weiter und immer weiter.

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann wusste schon gar nicht mehr, wo er nun war, denn inzwischen hatte es zu schneien begonnen.

Endlich blieben sie vor einer Eishütte stehen.

„Hier wohnt der Nordwind", sagte der Eisbär. „Ich will weiter."

„Danke fürs Mitnehmen", rief der fünfeinhalbte Weihnachtsmann dem Eisbären nach, der in einem dichten Schneetreiben verschwand.

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann klopfte an die Eistür.

„Wer ist da", fragte der Nordwind mit seiner rauen Stimme.

„Ich, der fünfeinhalbte Weihnachtsmann", antwortete der fünfeinhalbte Weihnachtsmann.

„Komm herein."

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann schob die Eistür zur Seite.

Der Nordwind lag zusammengerollt auf einem Schneehaufen.

„Was willst du", fragte er. „"Ich ruhe mich gerade aus, denn ich habe viel zu tun."

„Kannst du nicht auch zu uns kommen und wenigstens Weihnachten Schnee bringen", bat ihn der fünfeinhalbte Weihnachtsmann. „Die Kinder hätten so gerne weiße Weihnachten und viele Erwachsene auch."

„Wo kommst du denn her?", wollte der Nordwind wissen.

„Aus Deutschland komme ich, aus der Gegend, in der in der Weihnachtszeit sonst selten Schnee ist."

Und dann beschrieb der fünfeinhalbte Weihnachtsmann, welche Gegend er meinte.

„Eigentlich habe ich zu tun, aber weil du extra zu mir kommst, will ich den Umweg machen. Pünktlich am heiligen Abend wird es am Nachmittag Schnee geben."

„Danke", sagte der fünfeinhalbte Weihnachtsmann. „Kannst du mich wieder nach Hause blasen?"

Und obwohl der Nordwind sich ausruhen wollte, blies er einmal die Backen auf, und der fünfeinhalbte Weihnachtsmann flog in wenigen Minuten den ganzen Weg zurück.

Am Nachmittag zogen am Heiligen Abend vom Norden Wolken auf. Ein kalter Wind wehte, und dann begann es zu schneien. Und als der erste Gottesdienst begann, fielen die Schneeflocken dichter und dichter und der Wind trieb immer neue Schneewolken vor sich her.

Die Kinder jubelten:

„Hurra, wir können Schneemänner bauen" riefen sie. „Und morgen können wir rodeln."

Der fünfeinhalbte Weihnachtsmann freute sich, weil sich die Kinder freuten.

Und dass einige Väter schimpften, weil sie lieber ihre Mittagsruhe hatten, als Schnee zu schieben und mit ihren Kinder Rodeln zu gehen, störte ihn nicht.

An nächsten Morgen sah der fünfeinhalbte Weihnachtsmann viele Väter, die mit ihren Kindern Schneemänner bauten.

Und ein Kind sagte sogar:

„Mein Schneemann muss einen roten Mantel umhaben, wie ein Weihnachtsmann. Denn der hat sicher den Schnee gebracht."

Da freute sich der fünfeinhalbte Weihnachtsmann noch mehr.

Und am Nachmittag musste er sehr aufpassen, dass keines der Kinder mit dem Schlitten gegen einen Baum fuhr und sich verletzte.

Denn schließlich war ja Weihnachen.

Der fünfte Weihnachtsmann, der vorher etwas nöckelig gewesen war, weil der fünfeinhalbte Weihnachtsmann wieder etwas Besonderes angestellt hatte, lobte ihn jetzt, weil er so vielen Menschen eine Freude gemacht hatte.

Denn dass zu einem richtigen Weihnachtsfest auch Schnee gehört, das weiß ja jeder, sogar der fünfte Weihnachtsmann.

 

 

 

 

Gedichte zum Advent, Weihnachten und zum Neuen Jahr

(Aus: Siehst du; Wie kleine Vögel; Das Land unter dem Regenbogen; Der alte Brunnen)

 

 

Advent

 

So gehen unsre Tage hin:

mit Freude und mit Kummer.

Und mancher Mensch ist, der da weint

sich abends in den Schlummer.

Du Licht, scheinst in der Dunkelheit,

die unser Herz umhüllt.

Ein Schimmer nur, doch gilt Dein Wort,

das sich an uns erfüllt.

Du sprichst zu mir: „Fürchte dich nicht!

Ich will dir Freude geben.

Das Dunkel wird nicht immer sein,

der Lichtschein bringt das Leben.

Mein Licht scheint in der Finsternis.

Warte nur kurze Zeit,

dann wird es heller in dir sein.

Es ist jetzt nicht mehr weit.

Denn ich verschenke diese drei:

Glauben, Hoffnung und Lieb´.

Sie sind für dich, dass Dunkelheit

bei dir nicht weiter blieb´."

 

 

 

Weihnachtslied

 

In einer Nacht in Bethlehem:

da ist ein Kind geboren

Gott wurde Mensch, sonst wären wir

wohl alle schon erfroren.

 

In jener Nacht in Bethlehem:

Maria stillt ihr Kind.

So mancher Nachbar steht dabei,

und er bleibt dennoch blind.

 

In dieser Nacht in Bethlehem:

da sind die Hirten hier.

Sie beten dieses Baby an:

„Mein Gott, du kommst zu mir."

 

Seit damals bist Du unter uns,

in unsrer armen Welt.

Du willst selbst in mein Herz einzieh'n,

weil es dir so gefällt.

 

Du sagst: „Du bist nie mehr allein,

seit ich auf Erden kam.

Und meine Liebe schenk ich dir,

nimm sie nur völlig an."

 

In jener Nacht in Bethlehem,

da fing dies Wunder an

und dauert weiter fort und fort,

für Kind und Frau und Mann.

 

 

Der Schnee

 

Der Schnee hüllt unsre Welt ganz ein,

er fällt bei Nacht und Tag,

und dabei friert es Stein und Bein.

Es ist schon eine Plag.

 

Der Schnee liegt auf der ganzen Welt,

auf Straßen und auf Bäumen.

Auch wenn es mir noch so missfällt,

ich muss den Gehweg räumen.

 

Der Schnee dämpft allen lauten Lärm,

macht sogar Autos leise;

ich hör dabei von Herzen gern

manch liebe Winterweise.

 

Der Schnee verdeckt, was dunkel ist,

macht alles neu und weit.

Auch du, mein Freund, jetzt ruh'ger bist

und nimmst dir viel mehr Zeit.

 

Der Schnee bremst Hetze, ich kann ruh'n.

Mit Schnee kehrt Frieden ein.

Ich kehr zurück und sitze nun

beim warmen Kerzenschein.

 

Der Schnee das Haus anheimelnd macht,

im Herd Bratäpfel schmoren.

Eisblumen wachsen über Nacht,

draußen gibt's kalte Ohren.

 

 

Winter

 

An meinem Fenster sind ganz heimlich über Nacht

Eisblumen weiß und leuchtend aufgegangen.

Der Winter hat sie gestern mitgebracht.

Ihr Leute, er hat wirklich angefangen.

 

Der Schnee knirscht unter meinen Winterschuhen.

Ich holt' die wärmste Jacke schon herbei.

Am liebsten würd' ich morgens länger ruhen,

doch wer macht meinen Gehweg dann schneefrei?

 

Der Atem geht wie eine Wolke vor mir her,

die Nase und die Ohren werden kalt.

Die Tiere haben es im Winter schwer

und kommen näher zu uns aus dem Wald.

 

Die Meisen und der Dompfaff betteln jeden Tag,

sie holen sich ihr Futter aus dem Haus.

Und in dem Keller knabbert, welche Plag,

seit kurzem eine winzigkleine Maus.

 

Der erste Schneemann, der schon fast vergessen,

lehnt müde an der Scheunenwand.

Nur seine Nase hat ein Reh gefressen.

S'ist Winter in dem Tecklenburger Land.

 

 

Schnee

 

Schnee

legt sich auf das Land:

zuerst wie feiner Puder,

dann wie ein Bettlaken mit Brandflecken,

und zu letzt schweben

dicke und flauschige Flocken vom Himmel,

hüllen alles ein

und lassen keine andere Farbe zu,

als nur reines Weiß.

 

 

 

Weihnachtsbild

 

Ich seh' ein Bild vor mir mit vielen kleinen Engeln,

die fröhlich singend durch die Lüfte schweben.

Marie und Joseph und die guten Hirten,

die ihnen das, was nötig ist, gegeben.

 

Die Könige, die von so weit gekommen,

die Nachbarn, Tiere, Engel: welche Fülle.

Und immer wieder Engel, singend Engel,

sie loben Gott so selig: welch Idylle.

 

Ich frage sie, woher sie alle kämen

und was ihr Schicksal war vor jenen Zeiten.

Sie sprachen zu mir: „Wir sind alle jene,

denen die Lebenden den Tod bereiten.

 

Wir sind die Kinder, die ihr abgetrieben,

die, die verhungert in den vielen Staaten,

wir sind die, die in allen Kriegen starben,

im Bombenhagel, unter den Granaten.

 

Wir sind die Giftgasopfer, die erschlagen,

wir sind die, die ermordet, eh' geboren,

die an den Seuchen starben zu Millionen,

wir sind die Kinder, die im Schnee erfroren."

 

Sie singen jetzt bei der Geburt des Kindes

so selig, voller Glück mit großem Frieden,

als Lohn, Entschädigung für alles Leiden?

Wie sind doch unsre Welten so verschieden.

 

Und immer, wenn ich diese Bilder sehe

mit kleinen Engeln, die im Glück jetzt leben,

denk ich an all ihr Leiden, ihre Qualen.

Wann werden wohl wir Menschen Frieden geben?

 

Mit diesem Kind, das Engel da besingen

kommt Frieden zu uns, in die Menschenherzen.

Er kam nach Bethlehem, trug unsre Sünden,

Gott litt für alle an dem Kreuz die Schmerzen.

 

Ich kann aufatmen, darf aus Gnaden leben,

denn seine Lieb´ gilt allen Ländern.

Der Vater öffnet uns die Ewigkeiten

und will uns schon in dieser Welt verändern.

 

 

Engel, gibt's die?

 

Ich frage, was ist hinter all den Dingen,

in Bethlehem, zu jener alten Zeit,

da, wo die Engel vor den Hirten singen,

die Kön'ge reisten zu dem Stern so weit?

 

Ich frage, ist hier wohl nur eine Deutung,

ist dieses Wirklichkeit, Realität,

wo unsre Welt so voller Richtigkeiten

und manches Wunder in ihr untergeht.

 

Ich frage, gäb' es heute Engel,

wenn heute Nacht ein Kind geboren würd'?

Und kämen zu ihm durch die Engel Leute,

und wer wär heute der barmherzig Hirt?

 

Da, wo ein Mensch uns Gutes hat erwiesen,

ist er für uns ein Engel, das ist wahr;

da, wo er tröstet, hilft und Liebe bringet.

Noch immer gibt's sie, das ist wunderbar.

 

Die Engel haben heute keine Flügel.

Es sind die Menschen rings um uns herum,

wenn einer sagt: „Ach, du bist ja ein Engel!"

Doch mancher merkt's nicht, und er bleibt nur stumm.

 

Vielleicht seh'n wir die Engel nur so wenig,

weil in dem Herz für Gutes kaum noch Platz.

Und dennoch ist die Welt so voller Wunder,

das pfeift vom Dache schließlich jeder Spatz.

 

 

 

 

Morgendliche Bahnfahrt

 

Gesichter schweben

noch schlaftrunken

über dicken Winterschals

vor den roten Polstern

der zweiten Klasse.

Blass-violett

gibt sich der Horizont

jenseits der Bruchwälder.

 

Hinter beschlagenen Scheiben

fliegen

Filigranbäume vorbei.

Schon wieder hält der Zug,

um neue Gesichter aufzusaugen,

denen Müdigkeit sich vor die Augen schob.

Nur vereinzelt durchbrechen Erwartungen

an den Tag

den Schleier.

Wortfetzen stehen im Abteil,

bis zur Unkenntlichkeit untermalt

von rollenden Rädern.

 

Ein Schwarm schwarzer Vögel

schreckt hoch.

Erste Straßenlaternen

setzen der Morgendämmerung

Akzente auf.

Eine Autoschlange am Bahnübergang, Wohnsilos voller Menschen:

Bald bin ich am Ziel.

 

 

Kerze im Advent

 

Siehst Du die Kerze in der Dunkelheit?

Es ist Advent, es ist die heil'ge Zeit.

Jetzt scheint in Finsternis das kleine Licht

und spricht zu Dir: „Fürchte Dich nicht."

 

Spürst Du die Wärme, die von ihr ausgeht?

Das Weihnachtsfest vor unsrer Haustür steht.

Hol' aus dem Schrank das helle Festtagskleid,

jetzt darf vergehen Schmerz und tiefes Leid.

 

Riechst Du den Tannenduft in Deinem Raum?

Das Fest ist nah mit seinem Lichterbaum.

Gott sagt auch Dir: Ich wurde für Dich Kind,

damit Du spürest meines Geistes Wind.

 

Hörst Du das Singen um Dein eigen Haus?

Zieh schnell den Mantel an und eil hinaus.

Blick zu den Sternen an dem Himmelszelt

und hör ihr Klingen: Gott liebt diese Welt

 

 

Noch brennen die Kerzen nicht

 

Noch brennen die Kerzen nicht am Baum,

noch eilen die Menschen

geschäftig hin und her,

beladen mit Tüten,

um Fressweihnachten

vorzubereiten.

 

Noch brennen die Kerzen nicht am Baum,

noch eilen die Menschen

geschäftig hin und her

beladen mit Paketen,

damit sich die Konsumorgie ausbreiten kann.

 

Noch brennen die Kerzen nicht am Baum,

noch eilen die Menschen geschäftig hin und her,

unter elektrischen Lichtern,

an echten, geschlagenen Bäumen

- und haben den schon vergessen,

dessen Fest sie feiern.

 

 

Stille Nacht allerseits

 

Aus Lautsprechern

rieselt,

wie Dauerregen,

„Stille Nacht...",

und Du kannst Dich

mit keinem Regenschirm

davor schützen.

 

Stille Nacht allerseits:

in Kaufhäusern und auf Straßen,

im Rundfunk und Fernsehen.

Es schleift die Ohren,

verseucht die Leber

und drückt auf den Magen.

Wenn es nun wirklich Weihnachten wird,

kannst Du es nicht mehr hören:

„Stille Nacht allerseits."

 

 

Wie gut, dass es Weihnachten gibt

 

Wie gut, dass es Weihnachten gibt:

 

Der Buchhandel macht

sechzig Prozent seines Jahresumsatzes in diesen Wochen.

Wenn Bücher schon nicht gelesen werden, dann werden sie jetzt wenigstens gekauft.

Wie gut, dass es Weihnachten gibt.

 

Wie gut, dass es Weihnachten gibt:

Ungeheure Mengen Lebensmittel

werden in Plastiktüten

nach Hause geschleppt,

roh und veredelt.

Und die Menschen essen, fressen, stopfen alles in sich hinein,

um sich hinterher beim Arzt

die verränkten Mägen

kurieren zu lassen.

 

Schließlich haben alle etwas davon:

Die Lebensmittelerzeuger und die Veredler,

die Händler und die Verpackungshersteller,

die Fresser und die Finanzämter,

die Ärzte und die Pharmaindustrie.

Wie gut, dass es Weihnachten gibt.

 

Wie gut, dass es Weihnachten gibt:

Überall säuselt Klassik

oder das, was die Leute dafür halten

aus Lautsprechern.

Wenn sie schon das ganze Jahr Beat hören,

dann wenigstens Weihnachten Bach.

Für das Gefühl ist der immer noch gut genug.

Wenn ein paar Schnulzen dazukommen,

hebt das das Geschäft.

Wie gut, dass es Weihnachen gibt.

 

Wie gut, dass es Weihnachten gibt:

Alle tönen vom Frieden und von Liebe.

Wenn sie schon das ganze Jahr lang, nichts dafür tun,

dann möchten sie wenigstens jetzt davon reden,

selbst, wenn kein Wahlkampf ist.

Das schenkt ein gutes Gewissen,

auch wenn der Rüstungsetat steigt.

Wie gut, dass es Weihnachten gibt.

 

Wie gut, dass es Weihnachten gibt:

Der Vater beschenkt seinem Sohn,

wickelt in Weihnachtspapier,

was als Ersatz für die Zeit,

die er ihm das ganze Jahr entzogen hat,

gelten soll.

Die Tochter hilft vielleicht einmal der Mutter,

und Mutter schiebt sich mit gutem Gewissen noch eine Gänsekeule hinein.

Wie gut, dass es Weihnachten gibt.

 

Eigentlich könnte es Weihnachten mehrmals im Jahr geben.

Mit der Geburt Jesu

hat dieses Fest für die meisten Menschen

ohnehin kaum noch etwas zu tun.

 

 

Stern über Bethlehem

 

Stern über Bethlehem,

wann bescheint Dein Strahl Frieden?

 

Als das Kind in der Krippe geboren wurde,

knechteten römische Legionäre

mit ihren Waffen

die kleine Welt.

 

Stern über Bethlehem,

eine Krippe bescheinst Du

und das Kind,

das den Frieden bringen will.

 

Stern über Bethlehem,

ungezählte Kriege

breiten sich unter Dir aus,

Jahrhunderte lang

und ungezähltes Leid

bis heute.

 

Stern über Bethlehem,

Frieden

wollte einer bringen.

Wann werden Menschen

ihn leben?

 

 

Das Kind in der Krippe

 

Siehst Du die Krippe mit dem Kind,

das gerade geboren?

Seine Eltern sitzen bei ihm,

fast wie verloren.

 

Die Hirten kommen von dem Feld,

sie verlassen die Schafe.

Und sie finden das Heil für sich,

beim Kind im Schlafe.

 

Drei Männer eilen von weit her,

bringen ihre Gaben

für den König in Knechtsgestalt,

alles, was sie haben.

 

Dass Nachbarn kommen, glaub ich kaum.

Die paar blieben alleine,

denn die Menschen suchen nicht ihn,

nur jeder das Seine.

 

Kommst du zur Krippe mit dem Kind,

es ist für dich geboren -

bring Dein Herz mit, er füllt es Dir,

Liebe geht nie verloren.

 

 

 

 

Weihnachten

 

Liebe, die das Weltall durchdringt,

unfassbar, unbegreiflich,

in dem Kind von Bethlehem.

 

Nicht nur damals im Stall,

sondern in seinem ganzen Leben,

bis zum Ende leuchtet das Licht.

 

Willst Du teilhaben

an dieser Liebe?

Öffne Dein Herz,

lass sie einströmen,

atme sie

und lebe ihm nach.

 

Dann wird Gottes Liebe

in Dir

konkret,

auch heute.

 

 

Bethlehem

 

Eine Wanderarbeiterfamilie -

die Unterkunft verweigert,

bis sie im Stall

Unterschlupf findet

um ein Kind

zu gebären.

 

Hirten,

Asoziale,

kommen

und die Weisen,

die Ausländer.

 

Kamen auch Leute

aus Bethlehem?

Oder dachten sie nur:

Hergelaufenes Pack.

Sollen die doch bleiben,

wo sie hergekommen sind.

 

Gott wird

im Ärmsten

Mensch.

Damals -

heute -

immer.

 

 

Weihnachten 1991

 

Warschau/Bonn:

Völkerwanderung -

nicht zur Volkszählung,

sondern

um nicht zu verhungern.

 

Bethlehem:

Ein Kind wurde damals geboren,

heute werden hunderttausende

abgetrieben.

 

Zagreb:

Sie suchen eine Herberge,

die Grenzen bleiben ihnen

verschlossen.

 

Manila:

Statt der Botschaft der Engel

ist ein Vulkan ausgebrochen.

 

Leipzig:

Asylanten, die von weit herkamen,

sind nicht willkommen,

die Weisen aus dem Morgenland.

 

New York:

Damals mögen die Hirten,

Brot mitgebracht haben,

heute vernichten wir Lebensmittel,

um die Preise nicht zu verderben.

 

Stuttgart:

Der Stern von Bethlehem scheint heute nicht über einer Hütte.

Der beste Stern steht in der Garage des Generaldirektors.

 

 

Weihnachten ist überall

 

Weihnachten ist überall:

Wo Menschen auf der Suche

nach einer Bleibe sind.

Wo ein Kind geboren wird

und Eltern sich freuen.

Wo die Armut wohnt

und das Wenige mit Dank gegessen wird.

Wo Herrscher mit ihren Soldaten Leben aus löschen,

und doch ein Kind gerettet wird.

Wo Verbitterten Freude ins Herz kehrt,

auch ohne sichtbare Engel.

Weihnachten ist überall.

 

 

Die andere Seite von Weihnachten

 

Die andere Seite von Weihnachten

ist für viele Suche nach einer Bleibe

- statt einer Vierzimmerwohnung mit

Mietvertrag;

sind Hunger und Müdigkeit für Millionen

- nicht der volle Kühlschrank und ein Bett;

sind Blasen an den Füßen und Bangen um die Geburt

- statt eines Abends im Fernsehsessel;

ist aufkeimende und wachsende Verzweiflung

- statt Leise rieselt der Schnee;

sind Engel, die Hoffnung geben, obwohl sich äußerlich nichts ändert,

- statt einer Talkshow, in der Engel mit

Flügeln leeres Stroh dreschen.

 

Die andere Seite von Weihnachten

ist die richtige.

 

 

Maria hat ein Kind geboren

 

Maria hat ein Kind geboren

in den Slums von Rio.

Sie war keine Jungfrau mehr,

und den Vater hat es nicht mehr gekannt.

 

Maria hat ein Kind geboren

in einer Wellblechhütte,

nicht einmal der eigenen,

weil sie obdachlos ist.

 

Maria hat ein Kind geboren,

Wer bringt ihr Brot und ein Fell,

wer geht zu den Hirten und sagt ihnen,

dass sie das Kind besuchen sollen?

 

Maria hat den Sohn geboren,

damit er verhungert oder erschossen wird,

oder wenn er überlebt,

wieder Kinder zeugt,

damit der Kreislauf des Elends sich weiterdreht.

Maria hat ein Kind geboren:

Wozu?

 

 

O Tannenbaum, o Tannenbaum

 

O Tannenbaum, o Tannenbaum,

wie grün sind deine Blätter.

Sie sind aus Kunststoff, nadeln nicht

und tragen helles Neonlicht

O Tannenbaum, o Tannenbaum,

wie grün sind deine Blätter.

 

O Tannenbaum, o Tannenbaum,

dein Vorbild stand im Walde

und wurd' vergiftet, ist jetzt tot,

nun hat ein End des Waldes Not.

O Tannenbaum, o Tannenbaum,

dein Vorbild stand im Walde

 

O Tannenbaum, o Tannenbaum,

wir haben viel vergessen.

der, der gebor'n an diesem Fest

dem geben wir getrost den Rest.

O Tannenbaum, o Tannenbaum,

wir haben viel vergessen.

 

 

Herr Winter, Herr Winter

 

Herr Winter, Herr Winter,

was tust du mir so weh,

du kommst mit Frost und Kälte her,

mit Stürmen, Eis und Schnee.

Herr Winter, Herr Winter,

die Sonne floh vor dir

nach Süden, in die ferne Welt

dort fand sie ihr Revier.

Herr Winter, Herr Winter,

die Blumen und das Grün,

sie ließen mich allein zurück.

Wann willst du endlich zieh'n.

Herr Winter, Herr Winter,

genügt denn als Ersatz

was du uns bringst: den Glühwein und

das Schilpen von dem Spatz?

 

 

Nach Weihnachten

 

Wenn Weihnachten endlich vorüber ist

und der Überschwang an Gefühlen,

der Einkauf im Kaufhaus

und auf Straßen mit ihrem riesigen Gewühl,

wenn endlich die Normalität

in Familien und Häuser einkehrt:

dann,

ja dann können wir wirklich Ernst machen

mit den großen Worten

von Frieden und Gerechtigkeit,

gegen alle Schlechtigkeit

damit Menschen wieder lachen.

 

 

Die letzten Tage des Jahres

 

Die letzten Tage des Jahres,

sie fliegen dahin.

Überdenkst Du das,

was das Jahr gebracht

und was Du erhalten?

Übersinnst Du das,

was es Dir geschenkt

und was Du selbst getan

und unterlassen?

Ziehst Du Bilanz,

um Dir über Gewinn und Verlust

Rechenschaft zu geben,

um neu anzufangen

in wenigen Tagen?

Die letzten Tage des Jahres fliegen vorbei.

Bald sind sie vergangen.

 

 

Was hat dies Jahr uns denn gebracht?

 

Was hat dies Jahr uns denn gebracht?

Lasst uns danach nun suchen.

Oft haben Tränen wir gelacht,

und manchmal gab es Kuchen.

 

Was hat dies Jahr uns denn geschenkt

an Schönem und an Liebe?

Es hat sich vieles eingerenkt

nur selten gab es Hiebe.

 

Was hat dies Jahr uns denn beschert?

Vor allem Gottes Güte.

Nicht immer ging es unbeschwert

wie mit 'ner Zuckertüte.

 

 

Wenn wir jetzt auseinandergehn

(Melodie: Nehmt Abschied Brüder, ungewiss...)

 

Wenn wir jetzt auseinander geh'n,

dann sind wir nicht allein,

denn Du, der Vater willst ja heut

und immer bei uns sein.

Wir ziehen unsre Wege hin

beladen oft mit Schuld,

doch du, Herr, du begleitest uns

und hast mit uns Geduld.

 

Den Glauben, Vater gib du uns,

die Hoffnung und die Lieb';

so bleibe bei uns, guter Herr,

der uns die Schuld vergibt.

Dein Segen will stets mit uns sein,

er hält und trägt uns gar.

So lasst uns nun getröstet zieh'n

die Wege dieses Jahr.

 

 

Zum neuen Jahr

 

Die Tage eilen und die Stunden,

die Zeit hält ihre Hand auf und sagt: Gib!

Ich gebe ihr, was wichtig ich gefunden,

die bittren Tränen und auch, was mir lieb.

 

Die Schuld, die ich auf mich geladen,

die Chancen, die ich habe oft vertan,

sie sollen mir im neuen Jahr nicht schaden.

Er sagt zu mir: Mein Kind, fange neu an.

 

So heilt die fließend Zeit die Wunden,

lässt Knospen sprießen, duftend Blüten treiben.

Die Zukunft wächst, wo früher ich zerschunden.

Und Glaube, Hoffnung, Liebe bleiben.

 

Ich gebe hin das Jahr in Gottes Hände

mit allem, was es war und mir gegeben,

und nehm´ das neue als Versprechen an.

Es ist vom Gott der Liebe und bringt Leben.

 

 

Werde wie die Weisen

 

Ein heller Stern geleitete die Weisen

durch Stadt und Land zum Ziele hin.

Sie waren lange Zeit auf Reisen

und dachten nicht an Ruhm noch an Gewinn.

 

Die Sehnsucht trieb sie in der Ferne

bei Tag und Nacht, sie reisten lang,

die Sehnsucht nach dem hellen Sterne.

Sie wanderten, während der Himmel sang.

 

Und eines Abends sah'n sie sich am Ziele.

Sie fanden Joseph und Marie.

Das Krippenkind lag auf der Diele,

und Hirten standen dort mit ihrem Vieh.

 

An dieser Krippe fanden sie die Heilung

von aller Unrast ihrer Zeit,

für angehäufte Schuld Vergebung.

Ihr Herz, es wurde voller Glück und weit.

 

Wird´ wie die Weisen, mach Dich auf die Reise,

und such nach Deines Lebens Sinn,

nach der Erfüllung, werde weise.

Du findest bald zu diesem Ziele hin.

 

Ich wünsch Dir auf der Wanderung des Lebens

durch Tag und Jahr den hellen Stern,

dass all Dein Suchen sei nicht mehr vergebens,

dass er Dich führt zum Glück, das nicht mehr fern.